Pröll hatte im März eine Lungenembolie erlitten, die durch eine Beinvenenthrombose ausgelöst worden war. Nach einem Spitalsaufenthalt in Innsbruck befand er sich auf Rehabilitation. Bisher war seine Rückkehr in die Politik für die Woche nach Ostern angekündigt worden. Wie die “Presse” berichtete, fand am Dienstag im Kreis der Familie Pröll ein Gespräch über die Zukunft des Politikers statt. In der heutigen Erklärung gab Pröll seinen Rücktritt bekannt.
Lungeninfarkt war “deutlicher Warnschuss”
Er habe lange Zeit über seine Ziele und politische Arbeit nachgedacht. Österreich habe die Wirtschaftskrise gut bewältigt. Man habe “vieles eingesetzt – politisch, finanziell und persönlich”. Österreich stehe gut da, die Arbeitslosigkeit gehe zurück. Die Wirtschaft ziehe an, der Euro sei stabilisiert. Dennoch sei vom Optimismus und Aufbruch zu wenig zu spüren. Das liege am politischen Stillstand und am fehlenden Anstand.
Die Politik stünde vor zahlreichen Herausforderungen. Alle wüssten, dass eine Gesundheitsreform nötig sei, die Pensionen gesichert werden, die Schulden abgebaut und das Bildungswesen reformiert werden müsste. Dennoch verharren wesentliche Teile der Politik in “Opportunismus und Populismus”.
Dennoch erklärte Pröll: “Ich verlasse die Politik mit Dankbarkeit.” Es sei eine sehr spannende Zeit gewesen, so Pröll, der einige Punkte seiner Ministerkarriere hervorhob, etwa die Agrarreform 2003, die Steuerentlastung 2009 sowie die “Entscheidungen in der Bewältigung der Wirtschafts- und Eurokrise”.
“Ich möchte ein geordnetes Haus übergeben”, sowohl in der Partei, im Finanzministerium als auch als Vizekanzler. Pröll bestätigte, dass am morgigen Donnerstag eine Parteivorstandssitzung abgehalten werde, “wo wir über meine Nachfolge beraten werden”.
“Für mich beginnt ein neuer Lebensabschnitt”
“Für mich beginnt ein neuer Lebensabschnitt. (…) Die Entscheidung war schwer, aber sie ist richtig”, sagte Josef Pröll bei seinem letzten großen politischen Auftritt. Fragen beantwortete der scheidende ÖVP-Parteichef im Finanzministerium, in dem sich an die 200 Zuhörer versammelt hatten, nicht. Er verließ nach seinem 15-minütigen Statement den Saal.
Unter den Zuhörern waren nicht nur Journalisten, sondern auch zahlreiche Partei- und Ministeriumsmitarbeiter, darunter auch Sektionschefs. Der scheidende Finanzminister machte in seinem Statement deutlich, dass es bei seinem Lungeninfarkt vor ein paar Wochen um sehr viel gegangen sei, nämlich um sein Leben.
Er habe mit “Freude und Leidenschaft” für seine Heimat und die europäische Idee gedient und “alles für die Partei gegeben”, so Pröll.
Bräuchte noch mehr Kraft als bisher
Josef Pröll erklärte, er bräuchte zur Bewältigung der Herausforderungen der Politik noch mehr Kraft als vor drei Jahren. Er verwies darauf, dass es “einen Mangel an Anstand einzelner Politiker” – auch in der ÖVP – gebe, das habe das Vertrauen in die Politik zutiefst geschädigt. Keine Partei, auch nicht die ÖVP, könne das tolerieren.
Weiters beklagte Pröll einen “Stillstand” in der Politik, der das Vertrauen in die Politik “massiv” infrage stelle. Trotz zahlreicher Herausforderungen seien wesentliche Teile der Politik in Opportunismus und Populismus verhaftet. Um diese Probleme zu bewältigen würde eben noch mehr Kraft benötigen.
“Ich habe mich aufgrund meines beidseitigen Lungeninfarkts intensiv beraten.” Sein Zustand sei mit der engagierten Spitzenpolitik nicht mehr vereinbar, begründete er seinen Rückzug.
Noch keine Entscheidung über Pröll-Nachfolge
Morgen, Donnerstag, wird voraussichtlich am Vormittag der Parteivorstand zusammenkommen. Es ist aber nicht sicher, ob dort schon eine Entscheidung über die Nachfolge von Pröll fallen wird. (APA)