Wie die Zeitung Le Parisien (Donnerstag-Ausgabe) unter Berufung auf Quellen im Präsidialamt berichtete, warnte Villepin am Dienstag Staatspräsident Jacques Chirac davor, das umstrittene Gesetz nicht in Kraft zu setzen. Andernfalls könne er nicht weiter im (Regierungssitz) Matignon bleiben. Weder eine Aussetzung noch eine Neuverhandlungen des Erstanstellungsvertrages (CPE) wolle Villepin akzeptieren, wie dies etwa von Innenminister Nicolas Sarkozy, der auch Chef der bürgerlich-konservativen Regierungspartei UMP ist, verlangt werde, hieß es in dem Bericht.
Diese Maximal-Drohung bedeute aber noch nicht, dass Chirac das Gesetz auch tatsächlich beurkunden und in Kraft setzen werde, zitierte die Zeitung Vertraute des Staatspräsidenten im Elysee-Palast. Chirac wisse, dass er mit diesem Schritt selbst Ziel der Demonstranten gegen die Arbeitsrechtsreform werde. Allerdings stehe die Mehrheit der Berater Chiracs hinter Villepin, der jahrelang Kabinettschef des Präsidenten gewesen war. Nur ein kleiner Teil der Chirac-Vertrauten berate über Möglichkeiten, die weder eine Rücknahme, noch eine Aussetzung, sondern eine zweite Lesung des Gesetzes im Parlament vorsehe.
Bisher ist nur ein Premierminister der (seit 1958 bestehenden) Fünften Republik aus eigenem Antrieb zurückgetreten, nämlich Chirac selbst 1976 nach seinem Zerwürfnis mit Präsident Valery Giscard dEstaing. Alle anderen Premier-Rücktritte – zuletzt im Vorjahr jener von Villepins Vorgänger Jean-Pierre Raffarin – erfolgten auf Wunsch des Staatspräsidenten.
Am heutigen Donnerstag soll der von der sozialistischen Opposition angerufene neunköpfige Verfassungsrat über das Gesetz entscheiden, das Mittel- und Großbetrieben die Möglichkeit gibt, bei jungen Arbeitnehmern in den ersten beiden Jahren Kündigungen ohne Begründung auszusprechen. Chirac hätte bei Nichtbeanstandung des Textes durch die Verfassungsrichter noch neun Tage, um das Gesetz zu unterschreiben. Am Mittwoch hatte der Präsident ankündigen lassen, er werde sich in den kommenden Tagen zu dem Streit äußern.