Vielfalt am Arbeitsplatz: Zwischen Sprachlosigkeit und Lernbereitschaft

So seien Menschen der LGBTQIA+-Community oft zögerlich, sich zu zeigen und ihre Bedürfnisse anzusprechen, hieß es bei der Präsentation der Ergebnisse am Dienstag. Auf der "anderen Seite" sei hingegen die Unwissenheit groß und Diskriminierungen entstehen oft aus der Angst, Fehler zu machen.
Nachdem vergangenes Jahr eine quantitative Erhebung zur Akzeptanz von Menschen außerhalb binärer Geschlechtsidentitäten oder nicht-heterosexueller Orientierung in Österreich durchgeführt wurde, galt die Aufmerksamkeit dieses Jahr Haltungen und Motiven hinter den Zahlen: Für die Studie des Research-Instituts comrecon brand navigation wurde sieben Tage lang mit 55 Teilnehmenden zwischen 18 und 65 Jahren ein "ethnografisches Forum" aufgesetzt. Dort konnten sie u. a. ihre alltäglichen Erlebnisse schildern und reflektieren. Die Zusammensetzung des Samples orientierte sich an Vielfalt entlang von Geschlecht, sexueller Orientierung und Berufsstatus.
Weniger "Moralkeulen" und bessere Fehlerkultur gefragt
Dabei habe sich bei Personen auf "beiden Seiten" das Problem der Sprachlosigkeit gezeigt: Menschen aus der LGBTQI+-Community wollten oft vermeiden, in eine Schublade gesteckt zu werden oder zu viel Aufmerksamkeit zu erregen. Gleichzeitig brauche es oft ein Label, um zu signalisieren, dass man anders ist und andere Bedürfnisse hat.
Auf der anderen Seite würden Kolleginnen und Kollegen oft gerne zu diesen Themen in Kontakt treten, aber sie wissen nicht, wie und wollen niemanden verletzen. "Das soll keine Entschuldigung sein, aber es braucht auch Verständnis für diese Sprachlosigkeit", sagte Hager. Viele Diskriminierungen entstünden dann auch nicht absichtlich, sondern aus Unwissenheit oder der Angst, etwas Falsches zu sagen. Für Unternehmen bedeute das etwa, bei Schulungen weniger auf "Moralkeulen" zu setzen, sondern eine empathische Lernkultur zu etablieren, in der Fehler erlaubt sind, solange es Willen zur Entwicklung gibt.
Über die Toleranz hinaus
In dem Forum hatten Neugierde und Auseinandersetzung mit anderen Lebensrealitäten positive Auswirkungen. Das Schlagwort Toleranz sei hingegen oft eher ein Vorwand, sich nicht ausführlich auseinandersetzen zu müssen und beinhalte meist ein wertendes Element. Hager plädierte deswegen für ein Umdenken in Richtung von Akzeptanz, Anerkennung und aktivem Verstehen.
Wenn Arbeitgeber eine solche Atmosphäre schaffen können, würden alle angestellten Personen von den Möglichkeiten zur Selbstentfaltung profitieren. "Da geht es darum, dass jeder Mensch im Arbeitsalltag so gesehen werden kann, wie sie oder er ist - egal in welche Richtung", so Hager. Damit einher würde ein Kulturwechsel hin zu einer stärker ressourcenorientierten Haltung gehen.
Bildungsarbeit wieder stärker in den Fokus
"Die Studie bestätigt das, was bei uns über das Jahr hinweg ankommt", sagte Katharina Kacerovsky-Strobl, Veranstalterin der Menschenrechtsveranstaltung Vienna Pride und Geschäftsführerin von Stonewall. Besonders seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten habe man mit dem Thema "Diversity Fatigue" (deutsch: "Diversitätsmüdigkeit") zu kämpfen. Das betreffe sowohl Unternehmen als auch gesellschaftliche Gruppen - vormals unterstützende Haltungen ändern sich langsam.
Es sei auch ein massiver Anstieg von Hass, der auf Unkenntnis basiert, spürbar. "So negativ das gerade alles ist, kann man es auch als Chance sehen - jetzt hört man uns wieder zu", so Kacerovsky-Strobl. Angesichts dieser politischen Trendwende müsse der Fokus deswegen wieder stark auf die Bildungsarbeit gelegt werden.
Es sei ein echtes Anliegen, dass Nivea eine Botschaft der Vielfalt und Akzeptanz transportiert, ergänzte Alvaro Alonso, Geschäftsführer von Beiersdorf in Österreich und Osteuropa. Ziel der Initiative sei es, "Dialog anzuregen, unterschiedlichen Perspektiven Raum zu geben und ein respektvolles Miteinander zu fördern."
(APA/Red)