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Viele Vorurteile und wenig Fakten gegen die Bettler Wiens

Betteln in Wien: Viele Vorurteile, wenig Fakten in Medien und Politik
Betteln in Wien: Viele Vorurteile, wenig Fakten in Medien und Politik ©APA (Sujet)
Bettelnde Menschen sind in Wien mit einem negativen Image konfrontiert. Das beruht auf einer Mischung aus Ausländerfeindlichkeit, Vorurteilen gegenüber Roma und "einem medial-politischen Diskurs, bei dem es hauptsächlich darum geht, die Legitimation bettelnder Menschen infrage zu stellen".

Zu diesem Befund kam Ferdinand Koller, Sprecher der “Bettellobby Wien”. Mitverantwortlich dafür ist laut Koller die Sprache in den Boulevardmedien, denn diese ginge in eine bestimmte Richtung: “Bettler wohnen nicht, sondern ‘hausen’. Sie fahren nicht, sondern werden ‘gekarrt’. Es sind keine Gruppen, sondern ‘Banden’, es ist keine Familie, sondern eine ‘Sippe’ oder ein ‘Clan’.” Ebenso bediene man sich der Terminologie von Naturkatastrophen, spreche etwa von einer “Bettlerflut” oder “Bettlerlawine”, oder verwende kriegerische Metapher wie “Invasion” oder “Offensive”.

Vorurteile gegen Bettler

“Allein diese Wortwahl und ihre ständige Wiederholung schaffen mit der Zeit negative Bilder, die man beim Thema Betteln dann wieder abruft. Doch mit der Realität der Leute haben sie nichts zu tun”, analysiert Koller die Wirkungsweise. “Das Resultat ist aber, dass ein Großteil der Bevölkerung diese Stereotypen für wahr hält und sich dafür ausspricht, dass dieses ‘kriminelle Unwesen’ abgeschafft gehört.”

Die Sozialwissenschafterin Franziska Schulteß hat sich in ihrer Diplomarbeit mit dem politischen Umgang mit dem Thema auseinandergesetzt und von 1993 bis 2013 Sitzungen des Wiener Landtags und des Wiener Gemeinderats analysiert. Laut ihrem Eindruck haben auch hier Vorurteile ihren Eingang gefunden, wenn es etwa um die “Bettelmafia” geht, die man als real vorhanden einschätzt: “Über diese subjektiven Einschätzungen hinaus, kamen in den gesamten zwanzig Jahren keine konkreten Beweise für die ‘Bettelmafia’ zur Sprache. Dennoch wurde es sowohl von der FPÖ, der ÖVP als auch der SPÖ spätestens ab 2010 als belegte Tatsache hingestellt, dass der ‘Großteil’ der in Wien bettelnden Menschen ausgebeutet werde und selbst nichts von dem erbettelten Geld habe”, so Schulteß.

Mangelnden Wissen gegen Bettler

Fehlende Beweise seien hingegen nicht zum Anlass genommen worden, das Stereotyp der ‘Bettelmafia’ zu hinterfragen. Im Gegenteil sei sogar behauptet worden, die Tatsache, dass sich die ‘Machenschaften der Bettelmafia’ so schwer nachweisen ließen, sei nur ein weiterer Beleg dafür, wie gefährlich und trickreich diese kriminelle Organisation sei, kritisierte Schulteß.

Ähnlich die Salzburger SPÖ-Nationalratsmandatarin Cornelia Ecker: Unter Berufung auf eine Anfang Dezember erfolgte Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage durch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) folgerte Ecker, dass auch nach mehrmonatiger Ermittlungstätigkeit der Salzburger Exekutive “von einer organisierten Bettelmafia, die alle bettelnden Personen unter ihrer Kontrolle hält”, keine Rede sein könne. Ansonsten hätte die Arbeit der Polizei mehr Ergebnisse und Beweise mit sich bringen müssen.

Einen Mangel an Wissen ortet die “Medien-Servicestelle Neue Österreicher/innen” (MSNÖ): “Daten und Faktenwissen über sogenannte Bettelmigration nach Österreich gibt es bisher kaum. Einige qualitative, sozialwissenschaftliche Studien sind in den vergangenen Jahren erschienen”, hieß es in einer Aussendung. Die MSNÖ hat diese Studien, in denen unter anderem soziale Hintergründe von Bettlern und Armutsmigranten ermittelt wurden, auf ihrer Webseite http://medienservicestelle.at zusammengefasst.

(APA)

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