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Viele Morde

Wenn der niederländische Justizminister Benk Korthals idyllische Vorstellungen über die friedlichen Niederlande gründlich beseitigen wollte, so war er erfolgreich. Ein gerade vorgelegter Bericht seines Ressorts wies Amsterdam beinahe als Mordzentrum Europas aus. Zugleich machten seine Statistiker klar, dass es in der Heimat der Tulpen und Windmühlen auch viel Kriminalität von weniger schwerer Art gibt. Experten staunen.

Das auf Touristen so gemütlich wirkende Amsterdam mit seinen Grachten und jahrhundertealten Sehenswürdigkeiten erlebt nach Angaben von Minister Korthals 7,9 Mordfälle je 100.000 Einwohner. Rotterdam, zweitgrößte Stadt der Niederlande und größter Hafen, rangiert in der Statistik mit fünf Mordfällen gerade noch darunter. Zum Vergleich:
Berlin kommt auf 3,8 Morde, Paris auf 3,3 und London auf 2,2, ganz zu schweigen etwa von Wien mit 1,8 Mordfällen je 100.000 Einwohner.

Dass Washington mit 64,1 Morden und New York mit 16,8 die Tabelle anführen, überrascht weniger. Die Erkenntnisse verdankt der niederländische Minister der britischen Regierung. Das Innenministerium in London hat den Vergleich 1998 zusammengestellt. Dem niederländischen Politiker kam er jetzt gerade recht. Er soll ihn im Bemühen unterstützen, Ende des Monats im Kabinett mehr Geld für die Verbrechensbekämpfung loszueisen.

Politiker und Kriminologen haben den Braten gerochen. In ersten Reaktionen verwiesen sie auf die Fragwürdigkeit von Vergleichen, die auf unterschiedlichen Grundlagen ruhen. Und dass die Struktur der Kriminalstatistik in neun untersuchten Ländern Europas und Amerikas deutlich voneinander abweicht, wird kaum bestritten. Auch der relativ hohe Anteil mörderischer Abrechnungen im Drogenmilieu könnte das Bild in Amsterdam und Rotterdam nachteilig beeinflusst haben, heißt es.

Dennoch leitet der Minister aus der Mordstatistik wie aus dem allgemeinen Kriminalitätsspiegel eine deutliche Mahnung ab: Die Niederlande müssen in Prävention und Verbrechensbekämpfung viel mehr tun. Damit meint er zum Teil die Bürger, die sich im Alltag zu wenig anstrengen, um Einbrüche und verwandte Straftaten unmöglich zu machen. Viel zu wenige Alarmanlagen in Wohnungen und Geschäften sowie zu wenige Sicherheitskräfte in privaten Wachdiensten laden potenzielle Straftäter oft regelrecht ein.

Aber auch der Staat tut zu wenig. Statistisch lässt sich zwar im Vergleich der Haushaltsausgaben gegen die Kriminalität eine Mittelposition ausmachen. Aber wenn man die Mittel am Umfang der Verbrechen misst, schneiden die Niederlande schlecht ab, betont Korthals.

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