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Viele Fragen um russischen Unglücksflug KGL 9268: Was man bisher weiß und was nicht

"Sie flog nicht, sie fiel": Russland rätselt über Flugzeugabsturz
"Sie flog nicht, sie fiel": Russland rätselt über Flugzeugabsturz ©EPA
Stimmenrekorder auswerten, Wrackteile inspizieren - die Untersuchung des Flugzeugabsturzes in Ägypten gestaltet sich schwierig. Die russischen Ermittler gehen jeder Spur nach. Was gilt als gesichert?
Ungewöhnliche Geräusche vor Absturz
Fluggesellschaft: "Äußere Aktivität"
Kein Überlebender nach Absturz
Maschine in der Luft zerbrochen
Trauer um Opfer

Nach dem schwersten Flugzeugabsturz in der russischen Geschichte mit 224 Toten in Ägypten suchen Ermittler mit Hochdruck nach den Ursachen. Was weiß man schon, was noch nicht?

Hat die Technik des Airbus A321 versagt?

Die sibirische Fluggesellschaft Kolavia betont, die mehr als 18 Jahre alte Maschine sei technisch in Ordnung gewesen. Eine eine Störung und einen Pilotenfehler “völlig ausgeschlossen”. Die Katastrophe sei vielmehr durch “mechanische Einwirkung” erfolgt, sagte Kolavia-Vizechef Alexander Smirnow am Montag in Moskau. Smirnow ließ offen, ob es sich um einen Terroranschlag gehandelt haben könnte. “Es kann alles gewesen sein”, meinte er.

“Sie flog nicht, sie fiel”

Kolavia-Mitarbeiter Viktor Jung sagte, die Gesellschaft schließe einen Fehler der Crew und eine technische Störung aus. Weder Risse noch ein Ausfall der Systeme oder schlechter Treibstoff hätten das Unglück auslösen können. Nach Beginn der Katastrophe konnte die Maschine nicht mehr gesteuert werden. “Sie flog nicht, sie fiel”, sagte Jung in Moskau.

Die Crew habe keinen Notruf abgesetzt, sagte Smirnow. “Offenbar war die Mannschaft zum Zeitpunkt der Katastrophe bereits vollständig arbeitsunfähig”, meinte er. Der Airbus A-321 habe innerhalb von weniger als einer Minute massiv an Geschwindigkeit verloren und sei stark abgesackt. “Sie flog nur noch etwa 300 Stundenkilometer schnell und fiel um rund 1500 Meter ab”, sagte der Kolavia-Vizechef. Smirnow bestätigte, dass die kleine Gesellschaft mit Sitz in Sibirien mit Lohnzahlungen im Rückstand sei. Dies beeinträchtige die Geschäfte der Firma aber nicht, betonte er.

airbus

Kremlchef: “Vom Terrorakt bis zum Unfall”

Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte am Montag, er schließe keine Version aus – “vom Terrorakt bis zum Unfall”. Der Chef des russischen Luftfahrtamtes Alexander Neradko sagte, der Flugschreiber und der Stimmenrekorder (die “black boxes”) der Unglücksmaschine würden in Kairo ausgewertet.

Spekulationen um früheren Unfall mit fatalen Spätfolgen

Russische Behörden bestätigen, dass das Unternehmen alle Zertifikate besessen habe. Moskauer Medien spekulierten am Montag, ob ein früherer Unfall der Unglücksmaschine fatale Spätfolgen gehabt haben könnte. Das Heck des Flugzeugs sei bei einer Landung in Kairo 2001 beschädigt und danach repariert worden. Kolavia hatte dies als Grund ausgeschlossen. Sie zitieren Experten mit den Worten, trotz der Reparatur sei dieses Teil eine Schwachstelle geblieben. Dafür spreche, dass das Heck nach dem Absturz rund acht Kilometer vom restlichen Wrack entfernt gelegen habe. Zudem habe die Maschine in den vergangenen Jahren mehrere Besitzer gehabt.

Aktuell war sie im Besitz eines irischen Unternehmens. Der Airbus A-321 habe dem Unternehmen Wilmington Trust SP Services (Dublin) Ltd gehört und sei an die russische Fluggesellschaft Kogalymawia verleast worden, teilte die irische Luftfahrtbehörde (IAA) am Montag auf Anfrage mit.

Das Luftverkehrsbetreiberzeugnis (Air Operator Certificate) sei russisch gewesen. Im Frühjahr dieses Jahres habe die IAA dieses Zeugnis überprüft. “Alle Zertifizierungen waren zu diesem Zeitpunkt zufriedenstellend”, sagte ein Sprecher.

Ist der Hergang der Katastrophe geklärt?

Als unbestritten gilt, dass der Ferienflieger 23 Minuten nach dem Start im Badeort Scharm el Scheich über der Sinai-Halbinsel abstürzte. Ägyptische Behörden berichteten zunächst von einem Notruf der Crew. Dem widerspricht Kolavia-Vizechef Alexander Smirnow. Die Mannschaft sei zum Zeitpunkt der Katastrophe “vollständig arbeitsunfähig” gewesen. Der Airbus habe in weniger als einer Minute massiv an Geschwindigkeit verloren und sei abgesackt. Russische Meteorologen schließen Wetterturbulenzen als Ursache aus: Zum Unfallzeitpunkt herrschten demnach gute Flugbedingungen.

Absturz am Sinai - Suche nach der Ursache

Wie läuft die Untersuchung ab?

Entscheidende Hinweise erhoffen sich die Ermittler vom Flugschreiber und vom Stimmenrekorder der Unglücksmaschine. Die “black boxes” werden vermutlich in Ägypten ausgewertet. An den Ermittlungen sollen auch deutsche und französische Experten der Firma Airbus teilnehmen.

Was spricht für einen Anschlag als Absturzursache?

Seit Beginn der russischen Luftangriffe gegen Rebellen in Syrien vor einem Monat wächst in Moskau die Angst vor Terroranschlägen als Rache islamistischer Extremisten. Nach der Flugzeugkatastrophe hatte sich prompt ein Ableger der Miliz Islamischer Staat (IS) zu einem Anschlag auf das Flugzeug bekannt. Experten bestätigten die Echtheit dieser Mitteilung aber nicht.

Keine Anzeichen auf Abschuss

Nach russischen Angaben gab es an den gefundenen Rumpfteilen jedoch keine Hinweise auf eine Beschädigung von außen. Auch US-Sicherheitsexperten hatten nach der Analyse von Satellitenfotos Medienberichten zufolge ausgeschlossen, dass die Maschine abgeschossen worden sein könnte.

Hitzeball über dem Sinai

Auch am Dienstag suchten Experten mit Hochdruck nach dem Auslöser für die schlimmste Katastrophe der russischen Zivilluftfahrtgeschichte. US-Satelliten hätten zum Zeitpunkt des Absturzes einen Hitzeball über dem Sinai verzeichnet, berichteten die Fernsehsender CBS und NBC.

Was macht einen Terrorakt hingegen unwahrscheinlich?

Einen Abschuss mit einer Rakete schließen Spezialisten aus, weil die Extremisten im Norden der Sinai-Halbinsel nicht über die nötigen Waffen verfügen sollen. Denkbar wäre indes eine Explosion an Bord der Maschine – etwa einer in den Airbus geschmuggelten Bombe. Zuletzt befeuerten Aussagen der Fluggesellschaft Kolavia Spekulationen um ein mögliches Fremdeinwirken. Doch Klarheit dürfte wohl erst die Auswertung der Flugschreiber bringen. (dpa/red)

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