Gedolmetscht werden soll in Spitalsambulanzen, Arztordinationen, Rehab- und Pflegeinstitutionen. “Bei uns werden sehr viele Beschwerden zu Kommunikationsproblemen behandelt. Viele Beschwerdeführer haben Migrationshintergrund. Kommunikation ist eine ganz wichtige Grundlage für eine zielführende Behandlung. Wo es Probleme mit der Kommunikation gibt, entstehen Konflikte”, sagte Helga Willinger von der Wiener Patientenanwaltschaft am Montag bei einer Startveranstaltung für das Projekt in Wien.
Sprachliche Barrieren sollen durch Dolmetschdienst abgebaut werden
Das Gesundheitswesen kann sich nicht “ausreden”, dass sozusagen eine “Bringschuld” für Verständnis bei den Konsumenten läge: Abgesehen von akuten, lebensbedrohlichen Notfällen kann nur ein ausreichend aufgeklärter Patient seine Einwilligung zu einer Heilbehandlung geben. Kommt das nicht zustande, drohen straf- und privatrechtliche Haftung für den Arzt oder das Spital.
Abgesehen davon hat in Österreich jeder Mensch – unabhängig von Herkunft, Alter, Geschlecht, Religion etc. – Anspruch auf gleichen Zugang zu Gesundheitsleistungen. Das ist aber häufig wegen sprachlicher Barrieren schwierig. In Österreich leben derzeit 1,1 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund.
Video-Dolmetschdienst soll Fehler in der Diagnose verhindern
In der Medizin – im Spital, in Ambulanzen, beim niedergelassenen Arzt, in Pflege- und Rehab-Einrichtungen – greift man hier oft zu schlechten Behelfen: Beziehung sprachkundiger anderer Dienstnehmer der jeweiligen Einrichtung, Angehörige oder gar Kinder. Alles das ist häufig mit Fehlern und unzumutbaren Belastungen (schwere Erkrankungen etc.) behaftet. Helga Willinger: “Aus dieser Sicht ist zu sagen, dass das Übersetzen mit qualifizierten Dolmetschern sicherlich eine Möglichkeit der Verbesserung ist.”
Genau das soll in dem Pilotprojekt “Videodolmetschen” erprobt werden. Maria Letecka-Pulker vom Institut für Ethik und Recht in der Medizin: “Ziel ist der Aufbau eines zentralen Dolmetschdienstes für drei Sprachen (Türkisch, Bosnisch, Kroatisch, Serbisch, Anm.) und für Gebärdensprache. Das soll Konsekutivdolmetschen via Video-Verbindung für 16 Stunden täglich (6.00 Uhr bis 22.00 Uhr, Anm.) ermöglichen. Primär angewendet werden soll das in Ambulanzen, aber es soll auch für niedergelassene Praxen, Rehabilitationszentren und Geriatrieeinrichtungen bereit stehen.”
Pilotprojekt wird in Wien zwei Jahre laufen
Technisch soll das System für den Endkonsumenten offen und einfach via Desktop-Computer, Notebook etc. verfügbar sein. Das Pilotprojekt soll zwei Jahre laufen. Die Kosten für ein teilnehmendes Spital sollen pro Jahr rund 51.000 Euro betragen – etwa so viel wie die Anstellung eines Dolmetschers mit 40 Wochenstunden. Die Wiener Ärztekammer will Mitgliedern aus ihren Reihen mit technischer Ausrüstung helfen. Teilnehmer werden gesucht. (APA)