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VfGH-Präsident Korinek tritt aus gesundheitlichen Gründen zurück

Verfassungsgerichtshofs-Präsident Karl Korinek hat am Mittwoch überraschend seinen Rücktritt mit Ende April bekannt gegeben. Video 

Aus gesundheitlichen Gründen – Herzbeschwerden – zieht sich der 67-Jährige fast drei Jahre vor Erreichen der Altersgrenze zurück. Seine Nachfolge ist offen. Aber es wäre ausreichend Zeit für einen nahtlosen Übergang gegeben, betonte Korinek in einer Pressekonferenz.

Korinek war seit 2003 Präsident des VfGH, dem er schon seit 1978 (von 1998 bis 2002 als Vizepräsident) angehörte. In dieser Zeit hat er an mehr als der Hälfte der Entscheidungen, die der VfGH seit seiner Gründung 1919 traf, mitgewirkt und die Judikatur in manchen Dingen beeinflusst, zog er Resümee. “Besondere Freude” machten ihm juristisch schwierige Aufgaben – wie die rechtliche Bewältigung des EU-Beitritts oder die Entwicklung der Grundrechtsjudikatur. Die Causa Kärntner Ortstafeln, die ihm heftige blau-orange Angriffe eintrug, sei für ihn “keine besonders dauerhafte Erfahrung”.

Sehr zurückhaltend äußerte sich Korinek zu Frage seiner Nachfolge: Es gebe “viele geeignete Personen”, sagte er nur, eine nötige Eigenschaft sei “eine gute Kondition”. Weitaus offener informierte er über den Grund für seinen Rücktritt: Zwar habe er sich von früheren Herzproblemen – Infarkt und Bypass-Operation – erholt gehabt, jetzt seien die Beschwerden aber wieder schwerer geworden. Also habe er sich auf Rat seines Kardiologen gestern Nachmittag definitiv entschlossen, den “Dauerstress” der Präsidenten-Funktion – 70 bis 80 Stunden Arbeit während der Session, sonst auch immer mehr als 40 Stunden – zu beenden.

Außerdem teilte Korinek mit, dass er in seinen 30 Jahren am VfGH “keine einzige politische Intervention” erlebt habe. Und er lobte die aktuelle Große Koalition dafür, dass sie anders als früher, trotz Zwei-Drittel-Mehrheit nicht mehr so häufig zum Verfassungsbestimmungen greife, um die VfGH-Kontrolle zu umgehen.

Bis 30. April bleibt Korinek im Amt, um die Entscheidungen aus der aktuellen Session noch “ordnungsgemäß” abzuschließen. Ganz zur Ruhe setzt er sich aber nicht: Er werde weiter wissenschaftlich tätig sein (u.a. seinen großen Verfassungsrechts-Kommentar fortsetzen), Uni-Rat in Graz bleiben – Korinek war die längste Zeit auch als Uni-Professor tätig – und die Funktion im Aufsichtsrat der Staatsoper beibehalten. Korinek (geboren am 7. Dezember 1940 in Wien als Sohn des ehemaligen Finanzministers Franz Korinek) ist ein großer Musik-, vor allem Opern-Liebhaber.

Wer künftiger VfGH-Präsident wird, wird in nächster Zeit wohl ein breites Feld für Spekulationen bieten. Die von seinem Rücktritt überraschte und aktuell alles andere als harmonische Regierung muss sich auf einen Kandidaten einigen, den sie per Ministerratsbeschluss dem Bundespräsidenten zur Ernennung vorschlägt. Die Besetzung des 14-köpfigen Gerichtshofes – zuzüglich der sechs Ersatzmitglieder – ist streng zwischen SPÖ und ÖVP aufgeteilt. Korinek – der bis zu seiner Ernennung ÖVP-Mitglied war – kam 2003 über Vorschlag der schwarz-blauen Regierung ins Amt.

Er selbst glaubt zwar “eigentlich nicht”, dass es um seine Nachfolge ein langes Gezerre in der Regierung geben wird. Gesetzlichen Druck für die Nachfolge-Entscheidung gibt es aber nicht. Denn die Verfassung sieht ohne zeitliche Befristung vor, dass Vizepräsidentin Brigitte Bierlein die Agenden des Präsidenten übernimmt, wenn dieser “verhindert” ist.

Ob sich Bierlein selbst um die Nachfolge bewirbt, hatte sie am Mittwoch noch nicht überlegte, teilte VfGH-Sprecher Christian Neuwirth auf Anfrage der APA mit. Sie hatte wie die anderen VfGH-Mitarbeiter, Regierung und Bundespräsident erst am Vormittag von Korineks Entscheidung erfahren – und betonte zunächst nur, dass Korineks Ausscheiden einen “großen Verlust” für den VfGH darstelle. Bierlein wurde 2003 auf Vorschlag der schwarz-blauen Regierung Korineks Nachfolgerin als Vizepräsidentin. Die Staatsanwältin (zuletzt war sie in der Generalprokuratur tätig) ist eine Strafrechtsexpertin – und wurde schon 2002 von der SPÖ als “stramm konservativ” kritisiert.

Dass sich Korinek bei praktisch allen Parteien – mit Ausnahme von FPÖ/BZÖ – Respekt und hohes Ansehen erworben hat, zeigten die Reaktionen auf seine Rücktritts-Ankündigung: SPÖ-Verfassungssprecher Peter Wittmann attestierte ihm, sein Amt als oberster Verfassungsrichter stets mit der nötigen Unbestechlichkeit und Gewissenhaftigkeit sowie einem uneingeschränkten Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit ausgeübt zu haben. Korinek habe das Bild des VfGH nachhaltig geprägt und sich große Verdienste um den Rechtsstaat erworben, erklärte Vizekanzler Wilhelm Molterer (V). Die stv. Grünen-Chefin Eva Glawischnig zollte dem VfGH-Präsidenten “Respekt und Anerkennung” u.a. dafür, dass er stets die Grundrechte in den Vordergrund gestellt habe. Das BZÖ nutzte auch diese Gelegenheit, um von “Fehlurteilen” zu sprechen.

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