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Verzetnitsch schon im Herbst '98 informiert

Zu Beginn der vierten Verhandlungswoche im BAWAG-Prozess am 13. Verhandlungstag hat Ex-Aufsichtsratspräsident Günter Weninger mit seiner Aussage aufhorchen lassen.

Er habe den damaligen ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch schon im Herbst 1998 von den großen Verlusten durch Wolfgang Flöttls Sondergeschäfte informiert. Seine anderslautende Aussage im Vorverfahren, wonach er den ÖGB-Chef erst im Dezember 2000 – bei der zweiten großen Verlustwelle – in Kenntnis gesetzt habe, erklärte Weninger heute damit, er habe Verzetnitsch damals nicht hineinziehen wollen.

Auch Ex-BAWAG-Chef Helmut Elsner hatte im Prozess davon gesprochen, er habe den ÖGB-Chef schon 1998 in Kenntnis gesetzt. Verzetnitsch selber hatte im Februar diesen Jahres vor dem parlamentarischen U-Ausschuss (Banken-Ausschuss) gesagt, er habe erst im Dezember 2000 „mit Entsetzen“ von den Verlusten erfahren. Verzetnitsch ist als Zeuge beim Prozess geladen.

Zur Begründung, warum der Vorstand damals nur Aufsichtsratspräsident Weninger und nicht den gesamten BAWAG-Aufsichtsrat von den Verlusten im Herbst 1998 informiert worden war, nannten Elsner, Verzetnitsch und die BAWAG-Vorstände heute die Rechtsmeinungen von zwei Juristen. BAWAG-Anwalt Florian Gehmacher – er ist im Prozess als Zeuge geladen – und der mittlerweile verstorbene Universitätsprofessor Gerhard Frotz hätten bei Vorlage eines fiktives Beispiels einer Bank mit Verlusten und einem undichten Aufsichtsrat davon gesprochen, dass das Unternehmensinteresse dem Informationsbedürfnis des Aufsichtsrats überzuordnen sei.

„Der Vorstand wollte sicher nicht, dass ich den Aufsichtsrat verständige“, sah Weninger damals ein eindeutiges Interesse beim Bank-Vorstand, die übrigen Aufsichtsratsmitglieder unwissend zu lassen. Laut der rechtlichen Auskunft, die er erhalten habe, liege es in der Verantwortung des Aufsichtsratsvorsitzenden – also bei ihm – zu entscheiden, wie man mit dieser Angelegenheit umzugehen habe. „Das mag von Fall zu Fall verschieden sein“, sagte Weninger. Er selber hat jedenfalls im Jahr 1998 den Aufsichtsrat nicht von den Flöttl-Verlusten informiert, um zu vermeiden, dass die Öffentlichkeit über „undichte Stellen“ von den Verlusten erfahre.

Elsner führte als Begründung für die Nichtinformation des Aufsichtsrats heute an, dass der Aufsichtsrat der BAWAG „löchrig wie ein Emmentaler“ gewesen sei: Wenn die Information an die Öffentlichkeit gelangt wäre, hätte dies einen „Run auf die Bank“ ausgelöst und zu weiterem Schaden geführt. „Für uns war es eine starke Vermutung, dass der Aufsichtsrat möglicherweise nicht ganz dicht – nicht was das Hirn betrifft – war“.

Bei den Krisensitzungen des BAWAG-Vorstands vom 26. und 27. Oktober 1998 nach Bekanntwerden des so genannten Totalverlusts von Flöttl war beschlossen worden, statt die Geschäfte mit Flöttl zu beenden diesem einen Betriebsmittelkredit in Höhe von 80 Mio. Dollar zur Fortführung seiner Firma Ross Capital Markets zur Verfügung zu stellen. Weitere 250 Mio. US-Dollar wurden Flöttl jun. zum Ankauf einer Yen-Option zur Verfügung gestellt. Johann Zwettler, damals Vorstandsmitglied und später Elsners Nachfolger als BAWAG-Generaldirektor. schilderte, wie man damals auf rasche hohe Gewinne gehofft habe. Innerhalb von 12 bis 15 Monaten hätte „ein Gewinn in zweifacher oder dreifacher Höhe der Option eine Basis für neue Investments schaffen können“, sagte Zwettler. Er habe gehofft, „dass man 800 Millionen zurück verdienen kann“.

Elsner musste am Nachmittag die Verhandlung wegen Übelkeit verlassen, kam aber nach kurzer Zeit wieder. Der 72-jährige herzkranke Angeklagte wird während der Verhandlung von zwei Ärzten betreut.

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