Seine Pfarre umfasst 550 Patienten und 1300 Ärzte, Schwestern und Pfleger und deren Angehörige. Täglich geht Peter Rädler durchs Landeskrankenhaus. Sie leisten zu dritt Krankenhausseelsorge in Feldkirch. Und auch wenn der katholische Priester lange geglaubt hat, das ändern zu können, weiß er heute doch: Mein Sakko riecht nach Sterben.” Er kann es sehen in den erschreckten Augen der Patienten, wenn er z. B. den Raum der Herzüberwachung betritt. Wer hat den Priester geschickt?, fragt ihr Blick. Was weiß der Pfarrer, was ich nicht weiß? Dann erklärt Peter Rädler seinen Routinebesuch, und die Gesichtszüge entspannen sich. Er fragt, wies geht. Manche antworten: Prima!” Dann weiß er, mehr als Small Talk liegt nicht drin. Andere seufzen: Wie es einem halt so geht im Krankenhaus.” Dann bleibt er ein Weilchen.
Es denkt ihnen”
Ein 50-jähriger Herzpatient hat ihm vor Jahren herausfordernd entgegnet: Bei mir werdens nicht viel Brot haben. Ich bin Agnostiker.” Rädler erinnert sich gern an das anderthalbstündige Gespräch, das folgte. Denn das ist sein Angebot: Wenn du willst, nehme ich mir Zeit, über das zu reden, was dich beschäftigt.” Denn im Krankenhaus haben die Menschen viel Zeit. Es denkt ihnen.” Auch und vor allem, wenn die Diagnosen nicht günstig ausfallen. Der 66-jährige Priester kümmert sich vor allem um Schwerstkranke und Sterbende. Bei aller zunehmenden Kirchenferne ist doch der Wunsch nach einem religiösen Ritual im Sterben immer noch sehr hoch. Die Angehörigen suchen nach einer Form, sich in Würde und nicht hoffnungslos zu verabschieden.” Und die Patienten? Viele sprechen hochsymbolisch” vom Tod. Rädler erinnert sich an eine junge Frau, ihre Prognose war ungünstig”. Eines Tages sah sie aus dem Fenster und machte den Seelsorger aufmerksam: Schauen Sie doch, Blatt für Blatt fällt vom Baum. Irgendwann fall ich auch.” Zwar kann auch Peter Rädler nicht sagen, wie es ihm selber einmal ergehen wird, wenn die Nagelprobe kommt”, aber er hat immer wieder Umformungsprozesse der Hoffnung” erlebt und weiß deshalb, dass es im letzten Dunkel Verwandlung geben kann”. Daran glaubt er, deshalb hofft er.