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"Verstand siegte über Herz"

Josef Hickersberger hat am Dienstag auf einer Pres­sekonferenz erstmals öffentlich zu seinem Rücktritt als Teamchef Stellung genommen. Rücktritt | Zitate | ÖFB-Anwärter | Situation bei EURO-Teams |   

Der scheidende österreichische Fußball-Teamchef hat in Wien die Gründe für seinen Abgang vom ÖFB erläutert. Der 60-Jährige, der noch vor einer Woche bekanntgegeben hatte, die Auswahl auch in die WM-Qualifikation für 2010 führen zu wollen, gab in diesem Zusammenhang unter anderem an, dass seine Mission erfüllt sei. Außerdem seien ihm auch diverse Wortmeldung von Liga-Vertretern “aus der dritten, vierten Reihe” gegen den Strich gegangen.

Zu seinem überraschenden Abschied meinte Hickersberger: “Es ist der richtige Zeitpunkt, es gibt keinen besseren. Man muss erkennen, wann man seine Aufgabe erledigt hat.” Er sei angetreten, um ein neues Team zu formen. “Ich bin an die Aufgabe, die Mannschaft zu verjüngen, mit sehr viel Engagement herangetreten, und ich glaube, ich habe diese Aufgabe erfüllt”, erklärte “Hicke”, der “nicht darüber diskutieren will, ob diese Mannschaft zu 75 oder zu 80 Prozent die Mannschaft von Hans Krankl ist”.

Die Zeit für einen Wechsel auf der ÖFB-Trainerbank sei reif gewesen. “Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, um die Mannschaft an einen neuen Mann mit neuen Ideen weiterzugeben. Egal, wie mein Nachfolger heißt, ich wünsche ihm viel Glück, das er in der WM-Qualifikation brauchen wird, und mehr Kredit, als ich ihn hatte.”

Noch während der EURO 2008 sei mit dem ÖFB abgesprochen gewesen, dass der ursprünglich bis Jahresende 2008 laufende Vertrag verlängert wird, “wenn wir eine sehr gute EM spielen. Aber meiner Meinung nach sind die Erwartungen, die ich in die Mannschaft gesteckt habe, nicht erfüllt worden. Wir hatten zwar gute Phasen, aber auf der anderen Seite sind wir nicht ins Viertelfinale gekommen. Das tut mir leid, und ich bin natürlich bereit, die Konsequenzen zu tragen”.

Dass er einen Tag nach der letzten EM-Partie seine Bereitschaft zum Weitermachen verkündet hatte, erklärte Hickersberger mit seinem guten Verhältnis zu den Spielern – die vom Niederösterreicher als “Lebensabschnittspartner” bezeichneten Kicker hatten den 60-Jährigen wenige Stunden nach dem Deutschland-Match zunächst zum Verbleib überredet. “Es hat in Stegersbach viele emotionale Momente gegeben, wo das Herz über den Verstand gesiegt hat. Nach reiflicher Überlegung hat aber der Verstand über das Herz gesiegt, deshalb ist meine Zeit vorbei. Um mit Kaiser Franz Josef zu sprechen: ‘Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut’.”

Als Wortbruch wollte Hickersberger sein Verhalten ebenso wenig verstanden wissen wie als Rücktritt. “Es war kein Wortbruch, sondern eine Interpretationsfrage. Für mich war die EM nicht gut genug. Ich bin auch nicht zurückgetreten, sondern wollte meinen Vertrag unter diesen Umständen auf keinen Fall verlängern. Ein halbes Jahr die WM-Quali zu machen und dann aufzuhören wäre nicht im Sinne des österreichischen Fußballs.”

Außerdem sei sein Standing innerhalb der österreichischen Öffentlichkeit nicht gut genug, vermutete Hickersberger, der die bis vor wenigen Monaten ertönten “Hicke raus”-Rufe noch in den Ohren hat. “Und bei einem Ausbleiben eines Sieges gegen Frankreich (Anm.: erste WM-Quali-Partie am 6. September in Wien) hätte der ganze Zirkus wieder von vorn begonnen. Das ist mir diese Sache WM-Qualifikation nicht wert.”

Der Coach nannte aber auch Aussagen diverser Bundesliga-Manager, darunter vor allem Peter Svetits, im “Kurier” (Montag-Ausgabe) als “Auslöser” für seinen Rückzug. “Wenn sich Personen aus der dritten, vierten Reihe äußern, muss ich sagen, das habe ich nicht nötig. Ich will mit solchen Leuten nicht zusammenarbeiten, da ist Schluss mit lustig”, erklärte Hickersberger, der betonte, er habe sich nie persönlich bereichert, und sagte wohl im Hinblick auf Svetits: “Es haben sich Leute gemeldet, die dem österreichischen Fußball mehr gekostet haben, als ich dem Land mit dem EM-Titel hätte schenken können.”

Weiters meinte Hickersberger: “Die Zusammenarbeit mit der Bundesliga ist natürlich nicht sinnvoll, wenn Manager in der Öffentlichkeit erklären, was sie besser gemacht hätten. Ich glaube, es steht den Managern nicht zu, zu sagen, ob der Hiasl oder der Hansl hätte spielen sollen, so erfolgreich waren sie auch nicht”, sagte der Niederösterreicher und wies im Zusammenhang mit seiner eigenen Reputation darauf hin, dass er als einziger Österreicher sowohl als Spieler als auch als Trainer ein WM-Spiel gewonnen hat.

Von der Richtigkeit seiner Handlungen in den vergangenen zweieinhalb Jahren ist der Ex-Rapid-Meistermacher nach wie vor überzeugt. “An der EM-Vorbereitung und meiner Philosophie würde ich nichts ändern. Ich habe immer gesagt, dass wir gegen die Besten der Welt spielen müssen. Dass ich dadurch eine schlechte Bilanz habe, habe ich in Kauf genommen.”

In die Diskussion um seinen Nachfolger wollte sich “Hicke” nicht einmischen, sprach allerdings seinem bisherigen Assistenten Andreas Herzog großes Lob aus. “Er ist mehr für den österreichischen Fußball, als es Jürgen Klinsmann vor der WM 2006 für Deutschland war. Er hat unglaubliche internationale Erfahrung und eine Reputation wie kein anderer, aber er hat noch keinen Verein trainiert. Das mag man ihm als Manko anrechnen. Er hat die Qualifikation, um ein guter Nachfolger zu sein, aber ich mache keine Vorschläge.”

Mit einem Trainer-Kaliber a la Guus Hiddink dürfe man in Österreich ohnehin nicht spekulieren. “So groß ist das Interesse von Weltklasse-Trainern nicht, in Österreich zu arbeiten.”

Was seine persönliche Zukunft betrifft, sei noch alles offen. Er spiele künftig zwar für seine Enkelkinder den “Tauchlehrer Pepi”, ein konkretes Angebot hat Hickersberger, der sich bei Spielern, seinen ÖFB-Kollegen und auch bei den Journalisten bedankte, nach eigenen Angaben aber nicht.

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