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Verliert Albertina Paul-Plakate?

Eine rund 3.600 Stücke umfassende Plakatsammlung in der Wiener Albertina könnte von dem Museum 1939 über einen Kunsthändler aus einem Notverkauf heraus erworben worden sein und daher zum Restitutionsfall werden.

Dahingehende Medienberichte bestätigte die Restitutionsexpertin der Albertina, Maren Gröning, am Freitag gegenüber der APA.

Gröning habe heute erstmals Kontakt mit einer Tochter des wegen Verfolgung durch die Nazis offenbar zu einem Notverkauf gezwungenen ehemaligen Besitzers der Sammlung, Gaston Belf, gehabt und hofft nun, von dieser fehlende Details zum Verkauf der Sammlung zu bekommen.

Wichtiger Teil der Sammlung

Die Sammlung Julius Paul sei ein wichtiger Teil der Albertina-Plakatbestände und war schon beim Erwerb als wertvoll bekannt gewesen. Den vom britischen „Art Newspaper“ auf 10 Mio. Dollar (7,40 Mio. Euro) bezifferten Wert der Sammlung konnte Gröning nicht bestätigen. „Man muss erstmal schauen, was Plakate in so einer Menge wert gewesen sind“, so Gröning.

Entscheidend sei, ob die (laut „Art Newspaper“) 2.000 Reichsmark, die dafür 1939 gezahlt wurden, „fair waren“, so Gröning. „Die Blüte des Plakatsammelns war in den 1920ern vorbei.“ Auch wie die Bezahlung abgelaufen ist, „weiß ich noch nicht. Wahrscheinlich hat Belf die Werke in Kommission gegeben.“

Belf, der Neffe des Sammlers Julius Paul, habe in seinem Vermögensbesitz 1938 eine Plakatsammlung angeführt, die er von Pauls Witwe Pauline erhalten haben könnte. Pauline hatte die Sammlung, die laut „ORF On“ Arbeiten von Klimt und Mucha beinhaltet, 1938 von ihrem Mann geerbt.

Restitutionsfall?

Belf verkaufte seine Plakatsammlung und flüchtete gleich darauf ins Ausland – es „sieht im Moment ziemlich stark nach Notverkauf aus. Dann wäre das ein Restitutionsfall“, so Gröning.

Sie wisse jedoch noch nicht, wie die Werke genau den Besitzer gewechselt haben, und hofft auf Auskünfte von Belfs Tochter, die nahe Boston (USA) lebt.

Auch zur Flucht und weiteren Vita des vor fünf Jahren gestorbenen Belf könnte diese neue Aufschlüsse geben. Belfs Tochter habe beim ersten Kontakt erzählt, dass ihr Vater „von den Plakaten gesprochen hatte, aber nicht gewusst, dass sie bei uns in der Albertina sind.“ Gröning rechnet damit, dass sie Ende Juli ihren Bericht fertig hat und diesen dann an den Restitutionsbeirat übermitteln kann. „Dann muss das entschieden werden.“

Gröning hat schon 1999 zur Sammlung Paul recherchiert, jedoch konnten erst jüngste Forschungen einer Kollegin u. a. im Staatsarchiv entscheidende Hinweise auf Belf liefern. Zuvor waren die Recherchen ins Stocken geraten, da Pauls Witwe Pauline katholisch war und so nicht zu einem Notverkauf gezwungen gewesen wäre. Belf jedoch war Jude und zur Flucht aus Wien gezwungen.

Die Bewertung durch das „Art Newspaper“, das wegen der hohen Anzahl von Exponaten von „einem der größten Restitutionsfälle in Westeuropa seit 50 Jahren“ schreibt, teilt Gröning nicht.

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