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Verhindern, verkaufen, verfüttern: So geht Wiens Tiergarten Schönbrunn mit Nachwuchs um

Im Mai 2017 gab es Luchs-Nachwuchs im Wiener Tiergarten Schönbrunn.
Im Mai 2017 gab es Luchs-Nachwuchs im Wiener Tiergarten Schönbrunn. ©APA (Sujet)
Süße, flauschige Tierbabys sind die Stars in Zoos. Sie locken Massen an Besuchern in den Tierpark. Doch der Nachwuchs bringt große Herausforderungen mit sich. Da der Platz in den Gehegen begrenzt ist und zusätzliche Tiere Geld kosten, muss die Fortpflanzung gesteuert werden. Verhindern, verkaufen und verfüttern gehören zu den umstrittenen Maßnahmen - auch im Wiener Tiergarten Schönbrunn.

Thomas Voracek, der Veterinär des Tiergartens Schönbrunn in Wien, hielt fest, dass Fortpflanzung – mit Werbung, Paarbindung, Mutter-Kind-Beziehung, Sozialisation der Jungtiere durch die Erwachsenen und umgekehrt – das Leben der Tiere wesentlich bereichere und daher ein Bestandteil in der Zootierhaltung sei. Wann immer es verantwortbar sei, solle sie daher ermöglicht werden.

Wiens Tiergarten Schönbrunn verfügt über Genehmigung zum Verfüttern

Das Töten von Zootieren zum Verfüttern an Zootiere ist laut Voracek EU-weit gesetzlich geregelt (EU-VO 1069/2009). “Der Tiergarten Schönbrunn verfüge dazu über eine Genehmigung der zuständigen Veterinärbehörde. Im Anlassfall werden Wiederkäuer aus dem Bestand des Tiergartens Schönbrunn von den Tierärzten lege artis schmerzfrei getötet und an Raubtiere verfüttert”, erläuterte der Tierarzt auf APA-Anfrage.

Bei einigen Tierarten würden in Schönbrunn Maßnahmen zur Geburtenkontrolle durchgeführt. Tierartspezifisch kämen dafür bei weiblichen oder männlichen Tieren temporär chemische Kontrazeptiva zum Einsatz. Bei Tierarten, die an einem internationalen Zuchtprogramm teilnehmen, werde die Entscheidung über den Einsatz von Kontrazeptionsmaßnahmen vom jeweiligen internationalen Zuchtbuchführer bestimmt, hieß es aus dem Tiergarten.

“Man hält entweder die Tiere getrennt, man unterdrückt hormonell, man kastriert – das wird alles gemacht”, sagt Thomas Kauffels, Direktor des Opel-Zoos in Kronberg und Vorsitzender des Europäischen Zooverbandes. Auch im nordhessischen Tierpark Sababurg kommen bei der Geburtenkontrolle unterschiedliche Methoden zum Einsatz: “Der Luchskater hat ein Hormonimplantat, der Hängebauchschwein-Eber ist kastriert, bei den Wölfen sind nur noch Rüden”, sagt Harald Kühlborn, Sprecher des Landkreises Kassel, dem der Tierpark gehört.

Tiernachwuchs im Zoo: Auch Kastration und Verkauf als Option

In Frankfurt wiederum leben zwar unter den Windhunden drei Brüder zusammen, doch in der Regel werde den Tieren ermöglicht, ihr “ganzes Verhaltensspektrum auszuleben”, wie der Zoodirektor und Naturschützer Manfred Niekisch sagt. “Und dazu gehört Balz, Paarung, Geburt, Jungenaufzucht.” Nachwuchs sei in der Regel gut vermittelbar, Tierparks und Zoos seien gut vernetzt. “Die Jungtiere würden ja auch in der Natur die Herde verlassen, spätestens, wenn sie geschlechtsreif werden.”

Wenn eine Zucht zu erfolgreich wird, kann es aber doch Probleme geben: “Irgendwann waren die überschwemmt mit Frankfurter Giraffen”, nennt Niekisch ein Beispiel. Deswegen sei schließlich die Kastration des Giraffen-Stammvaters beschlossen worden.

“Pferde, Schafe, Ziegen werden gerne auch an private Käufer abgegeben”, erklärt Kühlborn. Wildtiere wie Dam- und Rotwild würden getötet und ihr Fleisch zum Verkauf angeboten. Ein Teil des überzähligen Nachwuchses wird zudem als Futter für andere Tiere verwendet. Der Tierpark Sababurg verfüttere ebenso wie andere Wildparks bestimmte Tiere an Beutegreifer. Fleischfresser wie Wölfe, Luchse und Vielfraße könnten nicht vegetarisch ernährt werden. Auch Kauffels betont: “Wir können Hyänen nicht auf Rucola und Salat mit Parmesan umstellen. Das sind Raubtiere. Die brauchen Fleisch.”

“Schwieriges ethisches Problem”

“Rechtlich ist das völlig unstrittig, es handelt sich eher um ein schwieriges ethisches Problem”, sagt Hans-Jürgen Kost-Stenger vom Landestierschutzverband Hessen in Frankfurt. Das Tierschutzgesetz erlaubt die Tötung eines Tieres mit vernünftigem Grund. Und was in Zoos und Tierparks geschehe, sei nicht schlimmer als der Alltag in Mastbetrieben.

Die Tierrechtsorganisation Peta beurteilt die Lage drastisch: “Tötungen sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel”, sagt Yvonne Würz, Fachreferentin für Zoo und Zirkus. 30 bis 60 gesunde Tiere töte ein großer Zoo pro Jahr. Die Einrichtungen produzierten niedlichen Tiernachwuchs, um Besucher anzulocken. “Sobald Tiere aus der Babyphase herausgewachsen sind, muss der Zoo sie loswerden”, sagt Würz. Dabei komme es auch zur Abgabe an dubiose Tierhändler. Peta fordert mehr Geburtenkontrolle in Zoos und Tierparks.

Für den Frankfurter Zoodirektor Niekisch ist Familienplanung Teil des Zoo-Managements: “Jeder Zoo sollte eigentlich eine vernünftige Planung haben, was den Nachwuchs angeht”, betont er. Dann gebe es am Ende auch nicht die Frage: “Was machen wir denn jetzt mit dem Tier?”

(APA/Red)

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