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Verheerender israelischer Raketenangriff

Bei einem israelischen Raketenangriff auf das Haus eines militanten Palästinenserführers sind in Gaza fünfzehn Menschen, überwiegend Kinder, getötet worden.

Mit einem gezielten Luftangriff auf ein Wohngebiet in der Stadt Gaza hat Israel in der Nacht auf Dienstag den militärischen Führer der radikalen Palästinenser-Bewegung Hamas getötet. Dem Raketenangriff auf das Haus von Salah Shehade (48), dem Chef der „Brigaden Ezzedin el Kassam“, fielen mindestens 14 weitere Menschen zum Opfer, darunter neun Kinder. Etwa 140 Menschen wurden verletzt. Der israelische Ministerpräsident Ariel Sharon nannte die „Liquidierung“ Shehades „einen unserer größten Erfolge“. Der palästinensische Präsident Yasser Arafat sprach von einem „Blutbad“; er beschuldigte Sharon, seine „Politik der Massaker“ konsequent fortzusetzen.

Nach dem Luftangriff kurz nach Mitternacht stürzten das dreistöckige Wohnhaus Shehades und mehrere angrenzende Gebäude ein. Der Angriff wurde von einem Kampfflugzeug vom Typ F-16 durchgeführt. Die Maschine feuerte eine Rakete ab. Die getöteten Kinder waren nach palästinensischen Angaben im Alter von zwei Monaten bis 14 Jahren. Sharon sagte in Jerusalem, bei dem Angriff sei der „vielleicht ranghöchste Hamas-Führer im operativen Bereich getroffen“ worden. Zugleich äußerte er sein Bedauern über den Tod von Zivilisten. Die israelische Armee bedauerte in einer offiziellen Erklärung „jedes Leid, das unschuldigen Menschen zugefügt“ werde. Der Tod dieser Menschen sei das Ergebnis „des Terrors, der unschuldige Menschen als Schutzschilde verwendet“. Die Operation habe es ausschließlich auf Shehade abgesehen gehabt.

Aus Protest ist Vizeverteidigungsministerin Dalia Rabin-Pelossof, Tochter des 1995 ermordeten Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin, von ihrem Amt zurückgetreten. Die 51-jährige Politikerin der Arbeiterpartei habe ihre Demission damit begründet, die Regierung Sharon sei nicht dem Erbe ihres Vaters Rabin verpflichtet, und sie könne nicht guten Gewissens länger in der großen Koalition bleiben. Die Tageszeitung „Haaretz“ schrieb, Dalia Rabin wolle zunächst ihr Abgeordnetenmandat behalten und gleichzeitig ihre Tätigkeit im Rabin-Zentrum für Frieden fortsetzen. In einem Brief an den Vorsitzenden der Arbeiterpartei, Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eliezer, schrieb sie, die Regierung habe keinen „politischen Horizont“ für Verhandlungen mit den Palästinensern. Nach ihrer Einschätzung sei die Regierung der nationalen Einheit „am Ende angelangt“.

UNO-Generalsekretär Kofi Annan zeigte sich zutiefst besorgt über die möglichen Auswirkungen des Raketenangriffs und verlangte von der israelischen Regierung, „solche Aktionen einzustellen und sich so zu verhalten, dass die internationalen Menschenrechte uneingeschränkt respektiert werden“. „Israel ist rechtlich und moralisch verpflichtet, alles zu tun, um den Verlust unschuldigen Lebens zu vermeiden. Mit dem Einsatz einer Rakete gegen ein Wohnhaus hat es dieser Verpflichtung klar zuwidergehandelt“, warf der Generalsekretär der israelischen Regierung vor. Die Europäische Union hat das israelische Vorgehen ebenfalls verurteilt. Der dänische Außenminister Per Stig Möller, dessen Land derzeit den EU-Vorsitz führt, bezeichnete die Aktion als „völlig inakzeptabel“. Die „außergerichtlichen Tötungen“ mutmaßlicher Extremisten durch Israel werden von der EU schärfstens verurteilt.

Der EU-Außenpolitik-Beauftragte Javier Solana erklärte, Israel habe zwar das Recht, seine Sicherheit zu verteidigen und gegen den Terrorismus vorzugehen, „aber diese Art von Operation ist dem Frieden und der Aussöhnung nicht dienlich“. Der Angriff erfolge noch dazu zu einer Zeit, „in der Palästinenser und Israelis sehr ernsthaft daran arbeiten, die Gewalt einzudämmen und die Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen wieder herzustellen“. Zudem habe es Anzeichen für ein mögliches Ende des Selbstmordterrors gegeben, bemerkte Solana. Am Montag hatte Hamas-Gründer Scheich Ahmed Yassin gesagt, seine Bewegung erwäge unter bestimmten Bedingungen ein Ende der Selbstmordanschläge in Israel.

Die norwegische Regierung hat Israel zur Einstellung aller Luftangriffe auf zivile Ziele in den palästinensischen Gebieten aufgefordert. Norwegen habe nicht die geringste Sympathie für Terroristen, könne aber nicht hinnehmen, dass die israelischen Militäraktionen „gegen fundamentale Prinzipien des Völkerrechts verstoßen und den Konflikt weiter vergiften“, erklärte der norwegische Außenminister Jan Petersen. Norwegen war Gastgeber der israelisch-palästinensischen Geheimverhandlungen, die zu den Oslo-Abkommen geführt hatten. Außergerichtliche Tötungen, mit denen Israel gegen alle rechtsstaatlichen Grundsätze verstoße, könnten nicht hingenommen werden, betonte der Außenminister.

Die Palästinenser haben eine Klage gegen Israel vor dem – von den Israelis abgelehnten – Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) angekündigt. „Wir werden vor dem IStGH einen Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit fordern“, sagte Arafats Berater Nabil Abu Rudeina in Gaza. Das israelische Vorgehen stelle eine „wirkliche Prüfung“ für das internationale Tribunal dar. Sharon habe „den Friedensprozess und alle Bemühungen zu seiner Wiederaufnahme“ zerstört.

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