Oppositionsführer Deniz Baykal von der kemalistischen Partei CHP hatte vergangene Woche seinen Widerstand gegen das Verfassungspaket der AKP mit dem Kampf Großbritanniens gegen Nazi-Deutschland verglichen und Erdogan implizit mit Adolf Hitler gleichgesetzt.
Erdogan konterte am Wochenende, der wahre Hitler-Anhänger in der türkischen Politik sei Ismet Inönü gewesen, ein CHP-Politiker und Staatspräsident von 1938 bis 1950, der “Chef der Nation” genannt wurde. Erdogans Hinweis sorgte am Montag für Schlagzeilen, denn Inönü war ein Mitstreiter und enger Vertrauter des türkischen Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk.
Beratungen im Parlament
Im türkischen Parlament hat die entscheidende Runde der Beratungen über weitreichende Verfassungsänderungen begonnen. Mit den Stimmen der islamisch orientierten Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan stimmte das Plenum in Ankara den ersten vier von insgesamt 27 Verfassungsänderungen in zweiter Lesung zu, wie türkische Medien am Montag meldeten. Eine Volksabstimmung über das Verfassungspaket rückt damit näher.
Die geplanten Veränderungen umfassen unter anderem eine Justizreform und Regelungen zur Stärkung der zivilen Kontrolle über die Militärs. Die AKP spricht von notwendigen Änderungen, um die Türkei auf dem Weg in die EU weiterzubringen. Die Opposition kritisiert dagegen, die AKP nutze die Verfassungsreform als Vorwand, um alle Macht im Staat an sich zu reißen. Die zweite Lesung des Pakets wird voraussichtlich noch diese Woche abgeschlossen.
Die AKP verfügt im Parlament über 336 Sitze und hat damit 21 Mandate weniger, als für eine direkte Verfassungsänderung notwendig sind. Allerdings sehen die türkischen Gesetze die Möglichkeit eines Referendums für den Fall vor, dass Vorschläge für Verfassungsänderungen im Parlament mindestens 330 Stimmen erhalten. Das hatte die AKP in der ersten Lesung bei allen 27 Einzelvorschlägen geschafft. Sollte sie das bei der zweiten Lesung wiederholen, wird die Volksabstimmung anberaumt.