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Verfassungsrang für alle Kinderrechte wird gefordert

Die Bundesjugendvertretung appelliert an die Regierung.
Die Bundesjugendvertretung appelliert an die Regierung. ©Canva (Symbolbild)
Anlässlich des Internationalen Tags der Kinderrechte hat die Bundesjugendvertretung die österreichische Regierung aufgefordert, sich vor der nächsten Wahl dringenden Kinderrechtsfragen zu widmen.

Die wichtigsten Anliegen sind eine flächendeckende Versorgung mit kassenfinanzierter psychischer Hilfe, die Einführung eines Klimaschutzgesetzes und die Umsetzung eines Aktionsplans zur Bekämpfung von Kinderarmut. Darüber hinaus wird gefordert, alle Kinderrechte in der Verfassung zu verankern.

Die Armutskonferenz forderte einen Mindestunterhalt für Kinder und eine Reform der Sozialhilfe. Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) sprach von einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung.

Bundesjugendvertretung fordert Verfassungsrang für Kinderrechte

Sabrina Prochaska und Julian Christian, die Vorsitzenden der Bundesjugendvertretung, betonten bei einer Pressekonferenz in Wien die Dringlichkeit dieser Anliegen. Insbesondere die steigende Selbstmordgefährdung bei Kindern und Jugendlichen, das Fehlen eines wirksamen Klimaschutzgesetzes und die Belastung von Kindern und Jugendlichen durch steigende Lebenshaltungskosten seien alarmierend. Die Regierung wurde aufgefordert, sich vor dem Ende der aktuellen Legislaturperiode auf eine schrittweise Erhöhung der kassenfinanzierten Therapieplätze zu einigen und die geplante Facharzt-Offensive im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie voranzutreiben.

"Unzureichende Klimapolitik" wurde kritisiert

Die "unzureichende Klimapolitik" wurde ebenfalls kritisiert, da sie der UNO-Kinderrechtskonvention, die Österreich 1992 ratifiziert hat, widerspricht. Die Bundesjugendvertretung fordert ein starkes Klimaschutzgesetz, um den Anforderungen der Konvention gerecht zu werden. Als dritte große Herausforderung wurde der Kampf gegen die Kinderarmut identifiziert, bei dem es an einer langfristigen Strategie in Form eines Aktionsplans mangelt.

Die Bundesjugendvertretung forderte außerdem, alle Kinderrechte in der Verfassung zu verankern, da bisher nur sechs der mehr als 40 Kinderrechte Verfassungsrang haben. Zur Sicherstellung der Umsetzung schlugen sie die Einführung von Kontrollinstrumenten wie ein dauerhaftes Kinderrechte-Monitoring oder eine permanente Kindeswohlkommission vor.

Die Bundesjugendvertretung plant auch eine Kampagne unter dem Titel "Unsere Rechte, eure Spielregeln" für das Jahr 2024, um das Bewusstsein für Kinderrechte zu schärfen und Kinder über ihre Rechte aufzuklären. In diesem Zusammenhang ist auch die Einrichtung eines Kinderbeirats geplant, der regelmäßig zusammenkommen soll.

Armutskonferenz forderte Unterhaltssicherung

Die Armutskonferenz forderte zum Tag der Kinderrechte eine Unterhaltssicherung mit einem garantierten Mindestunterhalt für Kinder. Derzeit müssten 36 Prozent der Kinder von Alleinerziehenden gänzlich ohne Unterhaltszahlungen oder Ersatzleistungen auskommen, kritisierte das Netzwerk sozialer Hilfsorganisationen. Zudem wiederholte die Armutskonferenz ihre Forderung nach einer Reform der Sozialhilfe. 70.000 Kinder seien von Kürzungen in Folge der Abschaffung der Mindestsicherung und der Einführung der Sozialhilfe betroffen.

Die SPÖ sprach sich einmal mehr für die besten Bildungseinrichtungen unabhängig vom Wohnort der Eltern, ein kostenloses, gesundes Mittagessen für alle Kindergarten- und Schulkinder und einen Rechtsanspruch auf einen gratis ganztägigen Kindergartenplatz sowie mehr verschränkte Ganztagsschulen aus. "Allen Kindern alle Rechte", forderte SPÖ-Chef Andreas Babler laut Aussendung am Montag bei einer Veranstaltung der Kinderfreunde und des SPÖ-Klubs im Parlament.

Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) sprach am Montag von einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung, um die Wahrung von Kinderrechten und den bestmöglichen Kinderschutz auch in der Praxis zu garantieren. "Hinsehen statt wegsehen ist da ein ganz wichtiges Prinzip", betonte Raab und verwies auf den Fall Teichtmeister und die Missbrauchsfälle durch einen Sportlehrer. Die Familienministerin erinnerte an das von der Regierung beschlossene Kinderschutzpaket. "Klar ist aber auch: Es kann nie genug für unsere Kinder und ihre Rechte getan werden."

Bundesratspräsidentin Claudia Arpa (SPÖ) sprach sich in einer Aussendung generell dafür aus, Kinder- und Jugendagenden vermehrt in den politischen Fokus zu nehmen. Die junge Generation solle auch in den demokratischen Entscheidungsprozess einbezogen werden, so Arpa und sprach sich zudem dafür aus, auch vermehrt den Klimaschutz in die UN-Kinderrechtskonvention aufzunehmen.

Am Wiener Rathaus wurde am Montag zum Internationalen Tag der Kinderrechte die Kinderrechte-Fahne gehisst, wie die rot-pinke Stadtregierung mitteilte. Zudem gab es einen Austausch von Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (NEOS), der SPÖ-Bildungssprecherin Nicole Berger-Krotsch, dem Menschenrechtsbeauftragten Shams Asadi und Vertretern des Wiener Jugendparlaments. "Das Recht auf gesellschaftliche und politische Teilhabe ist die Basis für einen gelungenen Start ins Leben und insbesondere auch, um Demokratie zu leben sowie zu erleben", so Wiederkehr laut Aussendung.

Kinder reichten erneut Klimaklage ein

Im Sommer sind zwölf Kinder und Jugendliche mit ihrer Klimaklage aus formellen Gründen beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) gescheitert, nun wollen es sieben erneut wissen. Sie sehen ihre Kinderrechte und Zukunft durch fehlende Maßnahmen für den Klimaschutz gefährdet. Die Klimaklage geht nun in die nächste Runde. Am Freitag wurde ein neuer, abgeänderter Antrag beimHöchstgericht eingereicht, hieß es am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien.

Die 15-jährige Smilla hatte bereits im Februar 2023 auf Grundlage ihrer Kinderrechte geklagt, im Juli wurde die Klage vom VfGH zurückgewiesen. "Ich habe Angst. Angst vor einer Zukunft, die nicht mehr lebenswert ist", sagte sie am Montag. Der vergangene Sommer hat mit Hochwasser, Naturkatastrophen und hohen Temperaturen die Auswirkungen der Klimakrise gezeigt. Seit 2011 sind Kinderrechte in Österreich in der Verfassung verankert. "Ich habe Kinderrechte, das Recht auf eine lebenswerte Zukunft", sagte Smilla. Doch die "Regierung blockiert jegliche Bemühungen, Klimaschutz in die Tat umzusetzen", sagte die 15-Jährige. "Wir befinden uns an einem sehr wichtigen Punkt der Geschichte, jetzt entscheidet es sich, wie unsere Zukunft weitergeht, ob die Klimaziele eingehalten werden", betonte die junge Klägerin.

"Verfassungsrechte müssen vor Gericht einklagbar sein, sonst sind sie nicht mehr wert als ein Stück Papier", sagte die Anwältin für Klima-, Umwelt- und Verfassungsrecht Michaela Krömer, die die Minderjährigen vertritt. Sie erinnerte daran, dass in der ersten Klage "niemand wirklich bestritten hat, dass hier Rechte potenziell verletzt sind". Sie erhofft sich mit dem überarbeiteten Antrag, dass sich das Gericht "inhaltlich mit dem Thema auseinandersetzt". Möglich sei erneut, dass den Kindern formelle Hürden in den Weg gestellt werden.

Recht auf Beschwerde steht im Zentrum

Im Zentrum steht angesichts der hohen formellen Hürden das Recht auf Beschwerde. "Dieses Gerichtsverfahren betrifft also auch das Recht, geltende Verfassungsrechte überhaupt einfordern zu können und ist somit auch aus rechtsstaatlicher Sicht von besonderer Bedeutung", sagte Krömer. Die Initiative CLAW, welche das Verfahren unterstützt, kämpft dafür, dem Rechtsschutzdefizit im Klimaschutz endlich ein Ende zu setzen. "Wenn die Zukunft ganzer Generationen zerstört wird und es in Österreich kaum eine Möglichkeit gibt, sich vor Gericht zu beschweren, dann ist das: unfair, ungerecht, Unrecht", sagte Klara König von Fridays For Future (FFF). Auch FFF unterstützen wieder die Klage. Diese sei "richtig und vernünftig", gehe es doch um "die große Frage: Haben junge Menschen in Österreich vor Gericht die Chance sich zu beschweren, wenn die Zukunft einer ganzen Generation zerstört wird?", sagte König. "Wir haben die Kinderrechte, und sie bergen ein großes Potenzial. Es liegt jetzt wirklich aufseiten des VfGH hier, als Höchstgericht in Österreich, dem Leben einzuhauchen im Bereich des Klimaschutzes", sagte Elisabeth Schaffelhofer-Garcia Marquez vom Netzwerk Kinderrechte bei der Pressekonferenz.

Der überarbeitete Antrag umfasst erneut mehrere Antragspunkte mit inhaltlichen Unterschieden, erläuterte Krömer. Eine Vorabentscheidungsantrages an den Europäischen Gerichtshof ist ebenfalls enthalten. In einem letzten Schritt wird diesmal auch die Aufhebung des gesamten Klimaschutzgesetzes beantragt. Die Richter stellten im Sommer fest, dass nicht alle Teile - des von Experten als zahnlos kritisierten - Klimaschutzgesetzes angefochten wurden, die jedoch untrennbar zusammenhängen, hieß es damals. Der Antrag sei zu eng gefasst gewesen. "Zu eng gefasst", wie der VfGH den ursprünglichen Antrag kritisierte, dürfte der neue also nicht sein, meinte die Rechtsanwältin. Ob dieser dennoch die formelle Hürde des bestehenden Rechtschutzdefizits überwinden kann, werde sich nun zeigen. "Der Kampf um Klimagerechtigkeit ähnelt leider mehr einem Marathon, als einem Sprint", sagte die 15-jährige Smilla, "und wir sind bereit diesen zu laufen, auch wenn es im wahrsten Sinne des Wortes immer heisser und mühsamer wird".

Immer mehr Staaten werden aufgrund des systemischen Versagens bei Klimaschutzmaßnahmen von Kindern und Jugendlichen verklagt, in den USA kürzlich sogar mit Erfolg, erläuterte König von FFF. Zuletzt sei in Estland der Bau einer neuen Ölanlage verhindert worden. "Internationale Beispiele, die zeigen, dass Klimaklagen erfolgreich sein können, geben uns Mut."

(APA/Red)

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