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Verfahren vor UN-Tribunal sei "reine Farce"

Mit scharfen Angriffen gegen die Anklagebehörde hat der frühere Belgrader Machthaber Slobodan Milosevic am Mittwoch das Eingangsplädoyer für seine Verteidigung abgeschlossen. Das Verfahren wird am Donnerstag fortgesetzt.

Vor dem Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag wies Milosevic alle Verantwortung für die Balkan-Kriege der 1990-er Jahre zurück und brandmarkte das Verfahren als „Farce“.

„Sie sprechen von Verbrechen, die wir nicht begangen haben, und von Absichten, die wir niemals hatten“, sagte der 63-jährige ehemalige serbische und jugoslawische Präsident. „Wegen der Art und der Inhalte dieser falschen Anschuldigungen ist (dieses Verfahren) zu einer einfachen und reinen Farce geworden. Allerdings sind die Geldbeträge nicht unbedeutend. Also ist es keine billige Farce“, griff Milosevic das Gericht an. Sein im Februar 2002 eröffnetes Verfahren ist bisher das wichtigste des UN-Tribunals, das über ein jährliches Budget von mehr als 270 Millionen Dollar (223 Mill. Euro) verfügt.

Der gelernte Jurist Milosevic hat das Gericht nicht anerkannt und sich dafür entschieden, sich selbst zu verteidigen. Die Ankläger fordern dagegen vom Gericht, Milosevic Pflichtverteidiger zu stellen. Der Serbe hatte nach langer Verzögerung am Dienstag mit seiner Verteidigung begonnen. Zuvor hatte er aus gesundheitlichen Gründen immer wieder eine Vertagung des Gerichts erreicht.

Der Anklage warf er vor, beliebig und ohne Beweise eine Reihe von Beschuldigungen zusammengetragen zu haben. Da es ihr nicht gelungen sei, die Täterschaft für die einzelnen Verbrechen nachzuweisen, habe sie den „nebulösen Begriff“ der „gemeinsamen kriminellen Unternehmung“ geschaffen. Dieser werde nun verwendet, um „Unschuldige, ohne Nachweis ihrer Verantwortung,“ anklagen zu können. Zum Abschluss seines Plädoyers unterstrich Milosevic seine Zufriedenheit über das „Privileg, Wahrheit und Gerechtigkeit auf meiner Seite zu haben“.

Dem früheren Belgrader Machthaber werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo vorgeworfen. Im Falle des Bosnienkriegs 1992 bis 1995 lautet die Anklage sogar auf Völkermord. Der Ex-Machthaber hat nun 150 Verhandlungstage zur Präsentation von Zeugen der Verteidigung. Der erste soll am 7. September gehört werden.

Drei Stunden lang beschäftigte sich das Tribunal mit der Gesundheit von Milosevic. Die Anklage erneuerte frühere Anträge, dem jetzt 63-Jährigen einen Pflichtverteidiger beizuordnen, weil er sich wegen Bluthochdrucks und Herzproblemen nicht länger allein verteidigen könne. Der Angeklagte beharrte dagegen in teils heftigem Ton darauf, weiter selbst zu entscheiden, wie er sich verteidigt.

Seit Beginn des Prozesses im Februar 2002 hat es bereits 17 Unterbrechungen wegen Erkrankung von Milosevic gegeben. Die Richter vertagten ihre Entscheidung über Berufung eines Verteidigers auf einen anderen Verhandlungstag. Das Verfahren wird Donnerstag fortgesetzt.

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