Diesen “Goldenen Löwen”-Sieger hatte niemand auf seinem Ticket – ja nicht einmal im Programm. Denn Sanxia haoren (Still life) des Chinesen Jia Zhang-Ke war erst nach Druck der offiziellen Unterlagen zu den 63. Internationalen Filmfestspielen von Venedig als Überraschungsfilm und 22. Löwen-Konkurrent nachnominiert worden. Nun hat der 36-jährige Chinese, der heuer mit Dong auch in der Reihe Orizzonti vertreten war, im dritten Anlauf nach 2000 und 2004 den Hauptpreis gewonnen – für viele eine weitere Überraschung, nicht die einzige bei der Preisverleihung heute Abend am Lido.
Die Jury unter Vorsitz von Catherine Deneuve entschied sich mit Still life für einen Film, der sich vor dem Hintergrund des umstrittenen Drei-Schluchten-Staudamm-Projektes in ruhiger, unaufgeregter Weise auseinandergetriebenen Eheschicksalen widmet – ein bedrückendes Porträt eines riesigen Landes, in dem nicht nur Naturschönheiten, sondern auch soziale Bindungen dem Fortschritt im Wege stehen.
Der Große Preis der Jury ging an einen der drei im Wettbewerb angetretenen Filme, die von Peter Sellars Wiener Mozartjahr-Festival New Crowned Hope beauftragt und (mit)finanziert wurden. Daratt des in Tschad geborenen Mahamat-Saleh Haroun ist ein faszinierendes Kammerspiel um Schuld und Sühne zwischen einem jungen Mann und dem Mörder seines Vaters, um die Folgen von Bürgerkriegs-Gewalt, und um die Möglichkeit, den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen.
Als bester Schauspieler wurde Ben Affleck für seine Hauptrolle in Hollywoodland von Regisseur Allen Coulter ausgezeichnet. Die britische Schauspielerin Helen Mirren wurde für ihre Rolle in The Queen von Stephen Frears erwartungsgemäß mit einer Coppa Volpi als beste Darstellerin geehrt. Den Marcello-Mastroianni-Preis für die beste schauspielerische Nachwuchsleistung, den 1999 Nina Proll für ihre Mitwirkung in Barbara Alberts Nordrand erhielt (Alberts neuer, im Wettbewerb gestarteter Film Fallen fiel bei den Kritikern durch und ging leer aus), ging an Isild Le Besco in Lintouchable von Benoôt Jacquot.
Der Silbernen Löwen für die beste Regie erhielt der französische Altmeister Alain Resnais für Privat Fears in Public Places (Coeurs), ein Silberner Löwe für die größte Entdeckung des Festivals ging an den italienischen Regisseur Emanuele Crialese für Nuovomondo. Außerdem wurde noch ein weiterer Spezialpreis an das Ensemble des Streifens Quei loro incontri von Jean-Marie Straub und Daniele Huillet vergeben. Bereits vor einigen Tagen hatte der amerikanische Kultregisseur David Lynch den Goldenen Ehrenlöwen für sein bisheriges Gesamtwerk erhalten.
Die Preisträger der 63. Filmfestspiele in Venedig
Die internationale Jury der 63. Filmfestspiele von Venedig unter Vorsitz der Schauspielerin Catherine Deneuve hat am Samstag folgende Preise vergeben:
- Goldener Löwe für den besten Film: Sanxia haoren (Still Life) von Jia Zhang-Ke
- Großer Preis der Jury: Daratt von Mahamat-Saleh Haroun
- Silberner Löwe für die beste Regie: Alain Resnais für Privat Fears in Public Spaces (Coeurs)
- Silberner Löwe für die größte Entdeckung: Emanuele Crialese für Nuovomondo
- Spezialpreis der Jury: Quei loro incontri von Jean-Marie Straub und Daniele Huillet
- Coppa Volpi für den besten Schauspieler: Ben Affleck für Hollywoodland von Allen Coulter
- Coppa Volpi für die beste Schauspielerin: Helen Mirren für The Queen von Stephen Frears