Die Erkrankung des Papstes nährt in Rom Gerüchte über mögliche Nachfolger von Johannes Paul II. Im Vatikan stehen die Zeichen auf Wechsel: Während die Medien über Kandidaten für die Ära nach Karol Wojtyla spekulieren, sprechen selbst dessen loyale Anhänger schon öffentlich vom nahenden Tod des Kirchenoberhauptes aus Polen.
Papst-Getreue wie der chilenische Kardinal Jorge Medina beteuern hartnäckig, es gebe keine Nachfolge-Diskussion, doch die Debatte um den künftigen Pontifex Maximus ist voll im Gange. Geht es nach gut informierten Pressequellen, kommen mindestens zwei Dutzend Kandidaten in Frage. Die ernsthaften Anwärter hüten sich indes, ihre Ambitionen preiszugeben. Zu häufig schon holten sich Kardinäle, die ihren Anspruch öffentlich erkennen ließen, eine Abfuhr nach der Faustregel: Wer als Papst ins Konklave geht, kommt als Kardinal wieder heraus. Hinzu kommt, dass jegliche Absprachen vor der Papstwahl streng verboten sind.
Großen Einfluss auf die nächste Papstwahl dürfte Experten zufolge die wachsende Zahl nicht-europäischer Katholiken haben. Sie halten es daher für gut möglich, dass das Kardinalskollegium erstmals einen Südamerikaner oder Afrikaner an die Spitze der römisch-katholischen Kirche und des Kirchenstaates wählt. Europa sei nicht mehr das Zentrum der Weltkirche, auch wenn die Zentrale in Rom ist, heißt es.
Mehrere Kardinäle aus Lateinamerika und Afrika werden als Kandidaten für das nächste Pontifikat gehandelt, darunter Kardinal Dario Castrillon Hoyos aus Kolumbien oder Oscar Andres Rodriguez Maradiaga aus Honduras. Letztendlich zählen aber die Stimmen im Konklave, und dort stellen die Europäer künftig mit 66 von 135 Kardinälen die größte Kontinente-Fraktion. Vatikan-Kenner schließen daher nicht aus, dass der Tradition folgend erneut ein Italiener den Papststuhl besteigt. Diese wurde mit dem Polen Wojtyla 1978 erstmals nach mehr als 400 Jahren Kontinuität unterbrochen. Der Erzbischof von Mailand, Dionigi Tettamanzi, wird in diesem Zusammenhang genannt.
Als aussichtsreiche Papst-Nachfolger aus Europa gelten noch der Sekretär für die Außenbeziehungen der Kurie, Jean-Louis Tauran, sowie der deutsche Kardinal Joseph Ratzinger, der in letzter Zeit immer häufiger im Sinne einer Übergangslösung ins Gespräch gekommen ist. Das US-Magazin Time hatte dem Gottesmann aus Bayern ein Titelblatt gewidmet. Seit Jahrzehnten ist Ratzinger engster Berater von Johannes Paul II.