Van der Bellen unterstreicht Distanz zu FPÖ-Chef

Kickl könne sich demnach bei einem allfälligen Wahlsieg nicht sicher sein, automatisch den Auftrag zur Regierungsbildung zu bekommen. Van der Bellen kritisiert die Haltung der FPÖ zur EU und zum Russlandkrieg und erinnert an die Razzia im Verfassungsschutz.
"Abendjournal": Van der Bellen zeigt sich in ORF-Interview auf Distanz zu Kickl
Er werde "eine antieuropäische Partei, eine Partei, die den Krieg Russlands gegen die Ukraine nicht verurteilt, nicht durch meine Maßnahmen noch zu befördern versuchen", sagte Van der Bellen in dem Interview, das heute, Mittwoch - am Vorabend seiner Zweit-Angelobung - auf ORF 2 gesendet wird. Er lege den Amtseid nicht nur auf die Verfassung ab, sondern sei auch seinem Gewissen verpflichtet.
Kickl und Regierungsbildungsauftrag: Van der Bellen befragt
Die Frage, ob das heiße, dass er Kickl, auch wenn die FPÖ bei der Nationalratswahl Erste wird, nicht automatisch mit der Regierungsbildung beauftragen würde, reichte der Bundespräsident weiter - mit den Worten, man möge Kickl und nicht ihn fragen, "ob es richtig war, gegen sein eigenes Haus, gegen das Innenministerium, eine Razzia zu machen, die zu nichts geführt hat außer dass die ausländischen Intelligence-Dienste jedes Vertrauen in Österreich verloren haben und und und ...."
Van der Bellen definierte "rote Linien"
Van der Bellen definierte "rote Linien", die aus seiner Sicht nicht überschritten werden dürfen. Und sagte dann, noch einmal befragt nach einem Regierungsbildungs-Auftrag an Kickl, sollte die FPÖ Erste werden: Er werde "eine antieuropäische Partei, eine Partei, die den Krieg Russlands gegen die Ukraine nicht verurteilt, nicht durch meine Maßnahmen noch zu befördern versuchen".
Man möge Kickl - und nicht ihn - fragen, "ob es richtig war, gegen sein eigenes Haus, gegen das Innenministerium, eine Razzia zu machen, die zu nichts geführt hat außer dass die ausländischen Intelligence-Dienste jedes Vertrauen in Österreich verloren haben und und und ...." Ob er Kickl als Kanzler angeloben würde, ließ Van der Bellen in dem am Vorabend seiner Zweit-Angelobung ausgestrahlten Interview offen.
Van der Bellen verspricht Amt nach bestem Gewissen auszuführen
"Streng genommen" müsse man unterscheiden zwischen dem Regierungsbildungsauftrag, der nicht in der Verfassung stehe - und der Kanzler-Ernennung. Diese liege laut Verfassung in seiner "höchstpersönlichen Entscheidung". Dafür brauche er keinen Vorschlag, das sei "einer der ganz ganz wenigen Punkte, in denen der Bundespräsident frei ist in seiner Entscheidung", erläuterte Van der Bellen - und merkte an: Er lege den Amtseid nicht nur auf die Verfassung ab, sondern sei auch seinem Gewissen verpflichtet - verspreche er doch auch, das Amt nach bestem Wissen und Gewissen auszuüben, und "darauf können Sie sich verlassen."
Van der Bellen zu Korruption in Österreich
"Ja sicher, das hat sich ja anhand der Chat-Protokoll herausgestellt", war Van der Bellens Antwort auf die Frage, ob Österreich ein Korruptionsproblem hat. Er mahnte nicht nur die gesetzliche Schritte ein - die Koalitions-Einigung zum Lückenschluss im Strafrecht begrüßte er -, sondern auch eine "Änderung der Haltung". Die in den Chat-Protokollen sichtbar gewordene "Freunderlwirtschaft" - "wie wir das so beschönigend in Österreich nennen" - müsse "wirklich aufhören, das ist ein Gift". Und die Regierung sollte diskutieren, was man vom Anti-Korruptionsvolksbegehren noch umsetzen kann bis zur Wahl. Er selbst hätte bei "diesen Chat-Geschichten" mehr kommunizieren sollen, räumte Van der Bellen ein. Da sei "nicht ganz zu Unrecht der Eindruck entstanden ich halte mich zu sehr zurück".
Auch um das Verhältnis des Bundespräsident zu den Regierungsspitzen ging es. Mit ÖVP-Ex-Kanzler Sebastian Kurz - der ja "berühmt, manche sagen berüchtigt war für seine Versuche der Message Control" - habe er einige Auseinandersetzungen gehabt, aber "da soll man nicht empfindlich sein, das gehört zur Politik". Mit dem jetzigen Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) habe er "sehr gutes Arbeitsverhältnis entwickelt im Laufe der Zeit", meinte Van der Bellen - eigentlich angesprochen auf dessen kühle Reaktion auf Van der Bellens Silvester-Appell zur "Generalsanierung des Vertrauens", sei doch der von ihm - nach Ausbrechen der ÖVP-Chataffäre konstatierte - "Wasserschaden" noch nicht behoben.
Van der Bellen beurteilt Arbeit der ÖVP-Grün-Koalition zu Krisenfolgen positiv
Durchaus positiv beurteilte Van der Bellen die von der ÖVP-Grün-Koalition geleistete Arbeit zur Linderung der Krisenfolgen. Da sei die Regierung "nicht untätig" gewesen, deshalb seien auch bei Beginn des Ukraine-Angriffs befürchtete Katastrophen - Gas- und Strommangel, nicht Heizen können etc. - nicht eingetreten. Nicht gelungen sei allerdings die Kommunikation der zahlreichen Maßnahmen, mit denen die Teuerungsfolgen abgefedert wurden.
Emotional zeigte sich Van der Bellen in Sachen Klimakrise. Er forderte nicht nur vehement mehr Tempo bei Gegenmaßnahmen ein, sondern trat auch scharf jenen entgegen, die die Klimakleber-Aktivisten als "Terroristen" bezeichnen - ohne die FPÖ zu nennen. Dies zu tun sei eine "Geschmacklosigkeit erster Güte", denn "diese Leute verwenden Klebstoff, ein Terrorist verwendet Sprengstoff". Auch der von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) im Vorfeld der niederösterreichischen Landtagswahl erhobenen Forderung nach höheren Strafen für Blockaden von Klimaklebern trat Van der Bellen klar entgegen: "Das finde ich weit über das Ziel schießend." Für "wirklich zumutbar" hielte er Tempo 100 auf der Autobahn.
Kickl reagierte auf Van der Bellens Aussagen via Facebook
Kickl reagierte auf Van der Bellens Aussagen umgehend via Facebook. Offenbar solle nicht der Wählerwille in Sachen Regierungsbildung entscheiden, "sondern die persönliche Willkür einer einzelnen Person", postete er. Und wandte sich gegen die kritischen Anmerkungen des Bundespräsidenten zur FPÖ: "Um moralisch zu sein, genügt es, den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zu verurteilen. Alle anderen Angriffskriege sind offenbar gar kein Problem", schrieb Kickl, sowie: "Und zur EU darf man nur freundlich sein, sonst ist man ein Europafeind." Abschließend merkte der FPÖ-Chef an: "Aha. Sehr neutral. Sehr demokratisch. Sehr moralisch. Sehr rechtsstaatlich. Sehr tolerant. Oder vielleicht doch nicht"
Für blaue Aufregung sorgte Van der Bellens Aussage auch noch am Donnerstag. Dass der Bundespräsident Kickl nicht automatisch mit der Regierungsbildung beauftragen würde, sei ein "gleichermaßen besorgniserregendes und inakzeptables Liebäugeln des Staatsoberhaupts mit dem völligen Ignorieren des Wählerwillens", sagte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker in einer Aussendung. Eine "willkürliche Verweigerung des Regierungsbildungsauftrags" durch den Bundespräsidenten wäre damit nicht nur der Bruch mit einer seit Bestehen dieser Republik gelebten Usance, sondern ein zutiefst "antidemokratischer und autoritärer Akt", so Hafenecker.
Landbauer vermutet Urnengang als Ursache der Aussagen von Van der Bellen
Der blaue Spitzenkandidat für die niederösterreichische Landtagswahl am Sonntag, Udo Landbauer, vermutete in einer weiteren Aussendung den Urnengang als eigentliche Ursache der Aussagen des Staatsoberhauptes. Van der Bellen versuche "mit einem einfach durchschaubaren Schmäh und Trick die Motivation, überhaupt wählen zu gehen, zu bremsen und zu brechen", denn jeder, der zuhause bleibe, "wählt indirekt das amtierende System Mikl-Leitner", ortete Landbauer einen "Taschenspieler-Trick". "Das ist nun der Versuch, sich für die Unterstützung Mikl-Leitners im Bundespräsidenten-Wahlkampf zu bedanken", ist sich Landbauer sicher. Die Aktion sei aber "bereits im Vorhinein gescheitert", denn "die Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher lassen sich ja nicht für blöd verkaufen".
(APA/Red)