Tausende spazierten am Wochenende unter den goldgelben Toren hindurch. Schaut Euch dieses Leuchten an, schaut nur, schaut!, rief Christo begeistert aus, als die safrangelben Stoffbahnen am Samstagmorgen von ihren nahezu fünf Meter hohen gleichfarbigen Gerüsten herabgelassen wurden.
Hunderte Schaulustige hatten zuvor lautstark den Countdown Five, Four, Three, Two, One! mitgezählt, ehe New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg mit einer langen Metallstange genau um 8.31 Uhr Ortszeit die erste Stoffbahn herabrollte. Christo und Jeanne-Claude – die gemeinsamen Schöpfer des größten Freiluftkunstwerkes in der Geschichte ihrer Wahlheimatstadt New York – standen ihm zur Seite.
Bloomberg hat maßgeblichen Anteil daran, dass die Behörden der Millionenmetropole nach mehrfachen Ablehnungen das zum ersten Mal bereits 1979 beantragte Werk schließlich doch noch genehmigten. In Anspielung an das lange Ringen um das Großkunstwerk werden in dessen offiziellem Titel The Gates, Central Park, New York City, USA 1979- 2005 die Jahre von der Idee bis zur Fertigstellung genannt.
Nach dem Bürgermeister und den Künstlern setzten hunderte Helfer von Tor zu Tor die Befreiung der aufgerollten Stoffbahnen fort, die schließlich auf einer gewundenen Gesamtstrecke von 37 Kilometern Gesamtlänge wehten. Die Begeisterung teilten auch die New Yorker Medien. Der Park erblüht mitten im Winter, lobte die New York Times. Die Daily News titelte Showtime im Central Park.
Mit dem Projekt Die Tore verwandelte sich der Stadtpark in ein riesiges Netz goldener Ströme aus Stoff. Die beiden 69 Jahre alten Künster, die unter anderem mit der Verhüllung des Reichstags in Berlin Weltruhm erlangten, sprachen von einem goldenen Dach, das über den Wegen des wohl berümtesten Parks Amerikas warme Schatten werfe. Allerdings werde sicher jeder Betrachter seine eigene Vision und Deutung des Kunstwerkes haben, fügten sie bei einer Pressekonferenz hinzu.
Bloomberg sagte, das Kunstereignis werde tausende Besucher nach New York locken und der Stadt Millionen von Dollar an zusätzlichen Einnahmen verschaffen. Es liege in der Natur der Sache, dass innovative Kunst wie Die Tore auch kontroverse Debatten provoziere. Hunderte Polizisten zu Fuß, auf Pferden, mit Motorrollern, Autos und Hubschraubern werden das Projekt rund um die Uhr bewachen, mit dessen Abbau bereits am Morgen des 28. Februar begonnen wird.
Auch für das enorme Sicherheitsaufgebot kommt allein das Künstlerehepaar auf. Christo und Jeanne-Claude betonten vor Journalisten, dass sie aus grundsätzlichen künstlerischen und ethischen Erwägungen keinerlei geldwerte Zuwendungen der Stadt angenommen hätten. Ebenso wiesen sie alle Angebote von Sponsoren strikt zurück.
Alle Kosten in einer Gesamthöhe von rund 20 Millionen Dollar (15,5 Millionen Euro) sollen aus dem Verkauf von Christos Zeichnungen, Modellen und Collagen des Tore-Projekts gedeckt werden. Die New Yorker Behörden rechnen damit, dass mindestens 200.000 Touristen aus aller Welt anreisen, um das Kunstwerk zu erleben. Dass es nach 16 Tagen abgebaut wird, gehört nach Überzeugung der Künstler zu ihren Werken wie der Tod zum Leben. Die Vergänglichkeit ihrer Kunst mache sie um so eindrucksvoller, erklärten sie.
“Safranpartys”
Trüffel sind out, Safran ist in. Gretchen Aquanita kann ein Lied davon singen. Seit Christo und Jeanne-Claude 7500 safrangelbe Tore im Central Park aufstellen ließen, kann die Besitzerin einer Cateringfirma für Luxus-Partys kaum genug Safran heranschaffen. Von Cocktailhäppchen bis zu ganzen Menüs, die Kunden wollen möglichst viel Goldgelbes dabei haben. Halb New York scheint mit Safranpartys das größte Freiluftkunstwerk in der Geschichte der Millionenstadt zu feiern.
Die begehrtesten Fetenräume sind dabei natürlich jene mit Blick auf die insgesamt 37 Kilometer langen goldgelben Ströme aus Stoffvorhängen, die sich seit Samstagmorgen durch Amerikas berühmtesten Park ziehen. Noch nie sei es im Big Apple so wichtig gewesen, Freunde in höheren Positionen zu haben, scherzte die New York Times. Viele Bewohner der höher gelegenen Edelappartements an der Fifth Avenue sowie an den Straßen Central Park South und Central Park West hätten nie gedacht, dass sie derart viele Bekannte in allen Teilen des Landes haben.
Das Telefon hörte gar nicht mehr zu klingeln auf, berichtete Donna Rosen, die im 43. Stockwerk eines Hauses nahe der Südwestecke des Central Park eine hinreißend dekorierte Großraumwohnung besitzt. Anfangs hatte sie bei Aquanitas Partyservice Garnelen mit Safransalat für 75 Gäste geordert. Doch je näher der große Tag der Eröffnung des Projektes Die Tore rückte, desto öfter rief sie an, um zu sagen, dass doch ein paar mehr Leute kommen. Am Samstag war die Gästeliste auf knapp 250 Personen angewachsen.
Wer nicht über Freundschafts- oder gar Familienbande zu New Yorkern mit Ausblick verfügt, kann die Tore-Sonderangebote der Hotels am Central Park nutzen. Vorausgesetzt, die Buchung erfolgte rechtzeitig und das Konto ist ausreichend gefüllt. Längst sind in den Herbergen, die schöne Blicke auf Christos Mammut-Installation zu bieten haben, die entsprechenden Zimmer, Partyräume und Restaurants ausgebucht.
Eines der wunderbarsten Christo-Pakete gab es im Mandarin Oriental am Columbus Circle. Die Preise für eine Übernachtung nebst Champagnerfrühstück auf der überdachten Terrasse des Metropolitan Museum of Art, das direkt an den Central Park grenzt, sowie Dinner im Restaurant La Prima Donna mit Prince Edward-Muscheln und Safrancremesauce begannen bei 1050 Dollar (etwa 820 Euro). Da war das Angebot des Carlyle Hotel im Vergleich geradezu ein Schnäppchen: Zwei Stunden Party mit goldgelben Häppchen und Parkblick bei 25 Teilnehmern für insgesamt 6000 Dollar.
Christo und Jeanne-Claude haben unzählige Einladungen zu Safranpartys bekommen, aber geheim halten können, ob sie der einen oder anderen folgen. Trotz aller Bemühungen von Reportern wurde auch nicht bekannt, ob die Künstler überhaupt auf Safran als Gewürz stehen oder lediglich die leuchtende Farbe der Blütennarben der zur Familie der Schwertliniengewächse gehörenden Krokusse lieben.
Allerdings erzählte die Französin Jeanne-Claude bereitwillig, dass ihr aus Bulgarien stammender Kollege und Gatte beim Zeichnen der Entwürfe für Die Tore jeden Tag größere Mengen Knoblauch vertilgte. Dieser Abkömmling der Familie der Liliengewächse galt lange Zeit als Arme-Leute-Gewürz, was für Christo und seine Partnerin natürlich unpassend ist. Immerhin zahlen sie die rund 20 Millionen Dollar, die das Central-Park-Projekt kostet, aus eigener Tasche.