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USA schicken Bodentruppen nach Syrien

Laut Berichten sollen die USA Bodentruppen nach Syrien schicken.
Laut Berichten sollen die USA Bodentruppen nach Syrien schicken. ©EPA
Ernst und entschlossen blickte Barack Obama in die Kamera, als er sich am Abend des 10. September 2013 vom East Room des Weißen Hauses an die Amerikaner wandte. "Diese Nation hat Krieg satt", sprach der US-Präsident mit Blick auf das syrische Inferno.

Und dann kam ein Satz, der bis heute nachhallen sollte: “Ich werde keine amerikanischen Soldatenstiefel auf den Boden in Syrien setzen.” Washington. Diese Aussage hat sich nun endgültig als falsch erwiesen. Weniger als 50 Soldaten, eine kleine Zahl bewaffneter Spezialeinheiten, sollen die syrischen und kurdischen Kämpfer im Norden des Landes nun unterstützen, wie am Freitag aus dem Weißen Haus verlautet. Denn den Rebellen geht im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) die Luft aus. Es fehlt an Munition, an Fahrzeugen, Ausrüstung und Logistik. Hier kommen die sogenannten Special Operation Forces (SOF) ins Spiel, die IS-Gegnern von der Nähe der türkischen Grenze aus helfen sollen, an einem Strang zu ziehen. Aber bleibt es dabei?

“Mission Creep” – dieses Wort steht für das alte amerikanische Trauma, sich schleichend in einen blutigen und teuren Krieg ziehen zu lassen. Auch für die US-Truppen wird es kein Leichtes, direkten Gefechten in ihrer vorerst beratenden Funktion aus dem Weg zu gehen. Dies sei kein Kampfeinsatz, versichert Obamas Sprecher Josh Earnest. Doch in Syrien herrscht Krieg, auch die Entsendung weniger Soldaten ist ein heikles Unterfangen. Und woher etwa soll Russland im Fall möglicher Bombardements auf IS-Stellungen sicher wissen, wo die US-Soldaten sich aufhalten?

Neuer Schwung notwwendig

Obamas überraschender Strategiewechsel zeigt, wie schleppend der vor gut einem Jahr begonnene Krieg gegen die Extremisten vorangeht. Fast täglich brüstet sich das Pentagon mit Luftangriffen auf Fahrzeuge, Trainingslager und Stellungen des IS, doch von wirklicher Wucht und größeren Offensiven ist wenig sichtbar. Auch im Weißen Haus scheint nach dem jüngsten Vorstoß von Verteidigungsminister Ashton Carter die Einsicht gereift zu sein, dass neuer Schwung nötig ist. Verstärkte “Angriffe aus der Luft oder direkte Handlungen am Boden” hatte Carter im Kreuzverhör mit den Falken im Kongress bereits angekündigt.

Auf die Dutzenden US-Soldaten wartet eine höchst knifflige Aufgabe. Sie müssen Splittergruppen unter einem Kommando vereinen und zur Offensive gegen die inoffizielle IS-Hauptstadt Al-Raqqa rüsten. Allein die kurdischen Kämpfer setzen sich aus verschiedenen Gruppen zusammen, deren Kürzel einer Buchstabensuppe gleichen, darunter die SDF (Demokratische Kräfte Syriens) und die YPG (Kurdische Volksschutzeinheiten).

500-Millionen-Programm eingestellt

In welchem Desaster die Zusammenarbeit mit Kämpfern vor Ort enden kann, zeigte schon ein vielfach kritisiertes, 500 Millionen Dollar (457 Millionen Euro) teures Programm zur Ausbildung moderater syrischer Kräfte. Nur einige Dutzend Kämpfer durchliefen das Training. Viele wurden verschleppt, einige waren nach Einschätzung des Pentagon schlecht zu motivieren, andere sollen Waffen in die Hände von Extremisten übergeben haben. Ende der Geschichte: Das Programm wurde eingestellt.

Von einer langfristigen US-Strategie scheint in dem festgefahren Konflikt nach viereinhalb Jahren Bürgerkrieg mit mehr als 250.000 Toten und 4,2 Millionen ins Ausland geflüchteten Menschen weiterhin keine Spur. Auch Obama balanciert zwischen dem Hilfeschrei der Kämpfer am Boden, der wachsenden Bedrohung durch eine brutal mordende Terrormiliz und dem Unwillen der kriegsmüden Amerikaner. Aber reichen weniger als 50 Soldaten aus, um die Kräfteverhältnisse entscheidend zu verschieben? Wird die Verlegung von Flugzeugen der Typen A-10 und F-15 an den türkischen Stützpunkt Incirlik das Blatt wenden können?

Kritik an zaghaftem Vorgehen

“Der Präsident erwartet, dass (die Soldaten) einen Einfluss haben können”, erläutert Earnest. Auf die Frage, ob die Entsendung weiterer Soldaten geplant sei, sagt er nur: “Ich will hier nicht die Zukunft voraussagen.” Doch in Washington festigt sich bei einigen auch der Eindruck, dass Obama immer noch zu zaghaft vorgeht, dass er ein zu kleines Pflaster auf eine klaffende Wunde legt.

Ob die Amerikaner sich neben dem Luftkrieg auch am Boden die Hände schmutzig machen, werden die nächsten Wochen zeigen. Sofern US-Soldaten sterben, wird Stabsfeldwebel Joshua Wheeler ihr tragischer Vorbote gewesen sein. Er wurde im direkten Feuergefecht mit IS-Kämpfern bei einer Befreiungsaktion für kurdische Geiseln vergangene Woche tödlich verletzt. Syrien, so viel steht fest, hat auch für die USA einen schleichenden, möglicherweise tödlichen Sog entwickelt.

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