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USA: Irak-Rückzug möglich

Der US-Regierung gehen die heimischen Truppen von der Fahne: Der Irak-Krieg wird in der Bevölkerung immer unpopulärer und politische Schwergewichte im Kongress fordern immer lauter einen Rückzugsplan aus dem Irak.

Die Regierung hat sich lange dagegen gestemmt und Zauderer in die Ecke der Vaterlandsverräter gestellt. Jetzt wendet sich das Blatt. Die Regierung schickte Außenministerin Condoleezza Rice am Dienstag in die Fernsehstudios, um die Wende einzuläuten:©„So, wie die Sache läuft, kann ich mir nicht vorstellen, dass wir die Truppenzahlen, die jetzt im©Irak sind, noch sehr lange brauchen werden“, sagte sie im US-Fernsehen. Auch Generalstabschef Peter Pace war zur Stelle. Die Ausbildung der irakischen©Truppen laufe fantastisch, wenn das so weitergehe, könnten die Truppen bald erheblich reduziert werden. Die „Washington Post“ berichtet unter Berufung auf Pentagon-Beamte, bis Ende nächsten Jahres könnte ein Drittel der derzeit 150.000 US-Soldaten den Irak verlassen haben.

Das sind völlig neue Töne, nachdem sich Präsident George W.©Bush bislang geweigert hat, über den Zeitpunkt und Umfang eines Rückzugs zu spekulieren. „Das spielt dem Feind in die Hände“, sagte Bush immer. Die USA©würden den Irak verlassen, sobald die Sicherheitslage es zulasse, „und keinen©Tag später“.

Nun hat sich die Sicherheitslage in den vergangenen Tagen kaum geändert.©Ein blutiger Anschlag jagt den nächsten. Und das Ausbildungsniveau der irakischen Armee beurteilte selbst das Pentagon bislang sehr skeptisch. 700 Soldaten seien zu eigenständigen Einsätzen in der Lage, 20.000 mit US-Unterstützung und der Rest nur unter Planung und Kommando von US-Befehlshabern, hieß es vor wenigen© Wochen in einem internen Pentagon-Papier. „Damit wird hier in Washington seit Wochen als Ablenkungsmanöver gewedelt“, sagte Rumsfeld am Sonntag in einem Interview. „Natürlich stimmt das nicht.“ Jeden Tag seien neue irakische Einheiten kampfbereit.

Geändert haben sich aber die Umfrage-Ergebnisse. Bei einer Umfrage des Harris-Instituts sagten Mitte November 63 Prozent, die US-Truppen sollten nächstes Jahr abgezogen werden, unabhängig von der Stabilität der irakischen Regierung. Vor einem©Jahr waren es 47 Prozent. 63 Prozent der Befragten sagten in der jüngsten CNN/USA Today-Umfrage, sie seien mit der Irak-Politik von Bush nicht einverstanden.

Auch der Ton hat sich in Washington geändert. Der Abgeordnete John ©Murtha traf vergangene Woche einen©Nerv, als er den Abzug der Truppen innerhalb von sechs Monaten forderte. Eine junge Sprecherin im Weißen Haus tat den 73-Jährigen zunächst als extremen Linken ab, doch ging die Diffamierung nach hinten los. Murtha ist nämlich ein hochdekorierter und über die Parteigrenzen angesehener Vietnam- Veteran, Militärkenner und Oberst a. D. der Elitetruppe Marines. Präsident Bush musste zurückrudern: „Murtha ist ein guter Mann, ein Patriot“, sagte er am Rande seiner Asienreise.

Dass ausgerechnet Murtha, der seit 31 Jahren im©Kongress für das Militär eine Lanze bricht, den Abzug forderte, hat die Debatte in die Schlagzeilen katapultiert. So mancher Republikaner wird langsam nervös:©Im kommenden Herbst müssen die 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus zur Wahl antreten. Mehr als 2100 US-Soldaten sind schon gefallen. Wenn nächstes Jahr kein baldiges Ende des Irak- Einsatzes in Sicht ist, könnte sich das für die Republikaner an der Wahlurne rächen.

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