Ganz ohne Reden und Musik, ohne irgendeine Eröffnungszeremonie lassen Christo und Jeanne-Claude an diesem Samstag (12. Februar) den Central Park in New York erblühen. Auf ihr Signal hin werden von 7500 Toren safrangelbe Stoffbahnen herabwallen und sich zu einem weit verzweigten leuchtend goldenen Strom vereinen. Als größtes Projekt seit der Errichtung der Sphinx feiern Zeitungen The Gates, für das Hundert Kilometer an Vinylröhren, 100.000 Quadratmeter Stoff, 165.000 Schrauben und Muttern, 5000 Tonnen Stahl benötigt wurden. Auf rund 20 Millionen Dollar schätzen Experten die Kosten – eine Summe, für die das Künstlerpaar, wie es betont, vollständig selbst aufkommt.
Sponsorengelder, Zuschüsse und Stiftungsgelder lehnen Jeanne-Claude und Christo kategorisch ab. In unserer Arbeit geht es um Freiheit begründen die beiden ihren Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit. Freiheit sei der Feind des Besitzes – und Besitz ist gleichbedeutend mit Dauerhaftigkeit. Um Vorwürfe zu umgehen, dass sie sich mit ihrer Kunst bereichern wollen, haben die beiden nach eigenen Angaben auch die Einnahmen aus Merchandising-Produkten abgetreten. Sie gehen an eine New Yorker Umweltschutzorganisation, die sich die Erhaltung des Central Parks zur Aufgabe gemacht hat. In Zusammenhang mit The Gates entstandene Arbeiten der beiden Künstler gibt es in jeder Preisklasse: vom 280 Dollar teuren handsignierten Poster bis zur 600.000 Dollar-Arbeit im Format 1,5 x 2,5 Meter.
Die Stadtverwaltung erhält von dem Paar drei Millionen Dollar – und erhofft sich ein Vielfaches davon an Einnahmen von zusätzlich durch das Projekt angelockten Touristen. Zwar ist der Besuch von The Gates vollkommen kostenlos (Es gibt keine Eröffnungsveranstaltung, es gibt keine Einladungen, es gibt keine Eintrittskarten, heißt es auf der Projekt-Homepage), doch hofft die Stadt auf zusätzliche Einnahmen bis zu 140 Millionen Dollar (110 Millionen Euro). Schließlich haben die letzte spektakuläre Aktions des Künstler-Paares, den Verhüllten Reichstag in Berlin, 1995 rund fünf Millionen Menschen gesehen. Normalerweise ist Februar jener Monat mit der geringsten Touristenzahl in New York. Das größte Kunstwerk in der Geschichte der Stadt wird zugleich auch eines der vergänglichsten sein: Ganze 16 Tage wird der Zauber in Safrangelb dauern. Dann beginnt der Abbau, gefolgt von der Verschrottung der Großinstallation. Durch die zeitliche Begrenzung geht von unserer Kunst der Drang aus, sie zu sehen, erklärten sie kurz vor Beginn ihrer Aktion. Liebe und Zärtlichkeit für diese Werke erwachsen aus der Tatsache, dass sie nicht für immer da sind. Solche Gefühle sind eigentlich reserviert für andere temporäre Erscheinungen wie zum Beispiel die Kindheit.
Mit Kindheit, genauer gesagt mit der ihres 1960 geborenen Sohnes Cyril, hat das Werk des Paares tatsächlich viel zu tun. Als Cyril – heute ein Fotograf, Dokumentarfilmer und Dichter – ein kleiner Junge alt war, brachten seine Eltern ihn fast täglich zum Herumtollen in den Central Park. Er liebte es, über die wunderschönen Felsen zu klettern. Der Park war Teil unseres Lebens. Die Inspiration für The Gates hat das Paar in den Straßenschluchten von Manhattan bekommen:
Unsere Aufmerksamkeit richtete sich auf diese unablässigen großen Menschenströme. Dieses Fließen soll sich nun auf den insgesamt fast 37 Kilometer langen, safrangelb eingehüllten Wegen des Parks nachempfinden lassen. Bereits 1979 haben der gebürtige Bulgare und die in Casablanca geborene Pariserin mit der Lobbyarbeit für ihr Projekt begonnen und scheiterten lange am Widerstand der Stadtbehörden. Erst als 2002 Bürgermeister Michael Bloomberg, ein Christos-Fan, sein Amt antrat, kam Bewegung in die Sache. Nun endlich werden die Tore für ein außergewöhnliches Kunstspektakel tatsächlich geöffnet.