Schwere Zeiten für Bush: Die Debatte um Versäumnisse vor dem 11. September 2001, die Gewalteskalation im Irak, der Skandal um die Misshandlung irakischer Gefangener und die weiterhin ungewisse politische Zukunft des Zweistromlandes – nichts scheint dem US-Präsidenten derzeit so richtig zu gelingen. Und dennoch hat Bush nach allen Umfragen weiterhin gute Chancen, die Wahl in sechs Monaten zu gewinnen.
Denn trotz seiner eigenen Probleme ist es ihm in den vergangenen Wochen immer wieder gelungen, seinen Herausforderer John Kerry in die Defensive zu treiben. Mit Sorge verfolgen manche Demokraten, dass es ihrem Kandidaten bisher nicht gelingt, von der Schwächephase des Präsidenten zu profitieren.
Obwohl Bush die schlimmsten drei Monate seiner Präsidentschaft hinter sich habe, stecke die Kerry-Kampagne fest, monierte die demokratische Strategin Donna Brazile in der New York Times. Kerry müsse jetzt vorankommen, dies ist ein sehr entscheidender Moment. In den vergangenen Wochen hatte das Bush-Team den Rivalen in TV-Spots als Weichei und Opportunisten porträtiert, dem Amerika in Zeiten des Anti-Terror-Kampfes nicht seine Sicherheit anvertrauen dürfe. Die Kampagne verfehlte ihre Wirkung offenbar nicht: In einer neueren Umfrage sagten 61 Prozent, der Demokrat sage nur das, was er für populär halte. Die Umfragen deuten auf ein knappes Rennen bei der Wahl am 2. November hin – trotz seiner massiven Probleme gab es also keinen dramatischen Einbruch für Bush.
Um in die Offenive zu kommen, startet Kerry nun seine eigene große TV-Kampagne. In 19 US-Staaten sollen die zwei Spots von jeweils einer Minute Länge ausgestrahlt werden, 25 Millionen Dollar werden dafür ausgegeben. Noch nie zuvor habe ein Herausforderer bei den Präsidentenwahlen soviel Geld in eine solche Medienkampagne besteckt, betont Kerry-Berater Tad Devine. Mit den Spots verfolgt das Team des Demokraten zwei vorrangige Ziele: Zum einen soll der Kandidat dem breiten Publikum überhaupt erst einmal richtig vorgestellt werden, denn nach Angaben von Demoskopen gibt es in der Wählerschaft bisher nur sehr vage Vorstellungen vom Bush-Rivalen; zum zweiten soll Kerry als entschlossene Führungspersönlichkeit präsentiert werden, die entgegen den Anschuldigungen des Bush-Lagers durchaus das Zeug zum Oberkommandierenden der Streitkräfte hat.
Das Kerry-Team knüpft dazu vor allem an das Erfolgsrezept der Vorwahlen an: Wieder ist der Kandidat als junger Leutnant im Vietnam mit Gewehr in der Hand zu sehen, wieder schildern frühere Kameraden seinen Heroismus. Del Sandusky, der unter Kerry auf einem Patrouillenboot diente, sagt: Die Entscheidungen, die er traf, retteten unsere Leben. Der Veteran Jim Rassmann erzählt: Als er mich aus dem Fluss zog, riskierte er sein Leben, um meines zu retten.
Kerrys Wandlung vom hochdekorierten Kriegshelden zum Friedensaktivisten sparen die Spots dagegen aus. Denn dieser Teil seiner Biographie bot zuletzt den Stoff für heftige Kontroversen. Der Senator aus Massachusetts sah sich vom Bush-Lager in eine Debatte über eine Protestaktion vor dem Kapitol im Jahr 1971 verwickelt, bei der er zusammen mit anderen Veteranen militärische Dekorationen auf den Boden geschleudert hatte. Kerry sagt, er habe nur die zu seinen Auszeichnungen gehörenden Stoffaufnäher geworfen, nicht aber die Medaillen – für das Bush-Lager nur ein weiterer Ausdruck dafür, dass der Herausforderer kein Rückgrat besitzt.
Dass es gelang, mit dieser bizarren Debatte davon abzulenken, dass Bush junior sich seinerzeit mit einem laxen Dienst in der Nationalgarde dem Einsatz in Vietnam entzog, mag allerdings als Beweis für die Ausgebufftheit des Bush-Teams gelten. Die Tricks der Wahlkampfmannschaft des Präsidenten, die auch den gezielten Hieb unter die Gürtellinie brilliant beherrscht, sind bei den demokratischen Strategen gefürchtet. Sie haben allerdings den Trost, dass sich ihr Kandidat in der Vergangenheit als zäher Hund erwiesen hat. Auch im Vorwahlkampf seiner Partei war er bereits so gut wie abgeschrieben, bevor er in einer furiosen Aufholjagd den lange favorisierten Howard Dean abhängte.