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USA: Am Ende ihrer Geduld?

Seit Monaten schlägt die US-Regierung wegen der weltweit größten humanitären Krise in der westsudanesischen Provinz Darfur Alarm. Jetzt scheint der Geduldsfaden zu reißen.

Noch in dieser Woche wollen die Vereinigten Staaten im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Resolution durchdrücken und die Daumenschrauben für das sudanesische Regime weiter anziehen. Die Entsendung von US-Truppen zum Schutz der Zivilbevölkerung in der Krisenregion hat der stellvertretende Außenamtssprecher Adam Ereli derzeit jedoch ausgeschlossen.

Anders als im Vorfeld des Irak-Krieges ist die Gemengelage in Sudan wesentlich vielschichtiger. Zum einen will sich die US- Regierung aus Sicht von US-Kommentatoren nicht dem Vorwurf aussetzen, wie beim Völkermord von 1993 in Ruanda tatenlos zugesehen zu haben. In Darfur, einer Provinz ungefähr so groß wie Frankreich, sollen nach neuesten UNO-Schätzungen bis zu 50.000 Menschen schwarzafrikanischer Abstammung getötet und weitere 1,2 Millionen vertrieben worden sein. Beim Abwägen des Interessenkonflikts fällt andererseits in die Waagschale, dass sich die Regierung in Khartum zunehmend als verlässlicher Partner im weltweiten Kampf gegen den Terrorismus erwiesen hat. Zudem steht ein mühsam, mit aktiver US-Beteiligung ausgehandeltes Abkommen zur Beendigung des 30-jährigen Bürgerkrieges im Südsudan auf dem Spiel.

Auch die Wahl der Druckmittel scheint begrenzt. „Ein Embargo ist immer schwer zu überwachen, insbesondere in einem Gebiet wie Darfur, wo es viele unbewachte Grenzen gibt“, räumt US-Außenminister Colin Powell ein. Powell will von der sudanesischen Regierung endlich Taten sehen. Sie soll die ihr treu ergebenen arabischen Janjaweed-Milizen unter Kontrolle bringen, damit in der Provinz die internationale Hilfe in Sicherheit und in großem Maßstab beginnen kann.

Die Spannungen zwischen dem Sudan und den USA dauern an, seitdem der Washington freundlich gesinnte Diktator Gaafar Numeiri im April 1985 gestürzt wurde. 1988 wurde der Sudan erstmals des Völkermordes beschuldigt. Der Vorwurf von Menschenrechtsorganisationen lautete, dass die Regierungsarmee seelenruhig zugesehen habe, wie ihr treu ergebene Milizen im Südsudan Massaker am Volk der Dinka verübten, um deren Unterstützung für die Südsudanesische Volksbefreiungsarmee SPLA abzuwürgen. Keine fünf Jahre später wurde der Sudan auch auf Drängen der US-Regierung zu einem Sonderfall für die UNO-Menschenrechtskommission. Nachdem Berichte über den Tod von mehr als 6000 Zivilisten in den Nuba-Bergen aufgetaucht waren, setzte die Kommission einen Spezialberichterstatter ein. Im Juni 1993 setzte die US-Regierung den Sudan auf die Liste der Terror fördernden Länder. Unter anderem betrieb Terrordrahtzieher Osama bin Laden nach US-Geheimdiensterkenntnissen im Sudan Ausbildungscamps.

Im Oktober 1997 verhängten die USA umfassende Wirtschafts- und Handelssanktionen. Die Feindseligkeiten gipfelten im August 1998 in einem Angriff der USA mit Marschflugkörpern auf Ziele in der sudanesischen Hauptstadt. Der Vorwurf, dass in dem völlig zerstörten Arzneimittelwerk chemische Waffen produziert wurden, konnte nie schlüssig bewiesen werden. Auf der Schwarzen Liste der Terrorsponsoren steht der Sudan noch heute, obwohl das US-Außenministerium im diesjährigen weltweiten Terrorbericht dem Land gute Noten ausstellt. „Sudans Zusammenarbeit und die Weitergabe von Informationen haben sich merklich verbessert“, heißt es darin. Zugleich stellte das US-Außenministerium auch klar, dass eine Lockerung oder ein Ende der Wirtschaftssanktionen erst zur Debatte stehe, wenn es Fortschritte bei den Menschenrechten gibt und die Situation in Darfur „zufrieden stellend“ behandelt wurde.

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