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US-Wahlen: Umfrage-Flut schafft Verwirrung

Kaum ein Tag vergeht ohne neue Umfragen im Präsidentenwahlkampf. „Zufriedenheit mit Bushs Amtsführung fast auf Tiefpunkt“ oder „Kerry als Terrorbekämpfer hinter Bush weit abgeschlagen“.

„Bush führt klar vor Kerry“, heißt es an einem Tag und 24 Stunden später: „Bush und Kerry Kopf an Kopf“. Kein Wunder, dass mancher den Überblick verliert.

Wer sich knapp zwei Wochen vor der Präsidentenwahl einen Überblick über das amerikanische Meinungsbild verschaffen will, hat die Qual der Wahl. Große Zeitungen und Zeitschriften, die Fernsehsender und unabhängige Institute – mehr als ein Dutzend ernst zu nehmende Akteure – machen Umfragen. Fragen und Methoden sind alle unterschiedlich. So gibt es Umfragen unter registrierten Wählern oder auch unter wahrscheinlichen Wählern. Und wie wahrscheinliche Wähler überhaupt auszumachen sind, wird auch noch unterschiedlich gesehen.

Welche der vielen Antworten, die bei einer Umfrage erfasst werden, schließlich die Schlagzeile liefert, steht im Ermessen des Auftraggebers. „Wie die Mona Lisa oder ein großer Roman sind auch die gewissenhaftesten Umfragen für Interpretationen offen“, meint John Zogby, der mit seinem eigenen Umfrageinstitut den Finger seit seit 20 Jahren auf den Puls des Volkes legt.

Ob etwa die Frage, wem der Wähler im Antiterrorkrieg mehr vertrauen, am Ende ausschlaggebend ist, muss sich zeigen. Ein Terroranschlag vor der Wahl könnte dies zur alles entscheidenden Wählerfrage machen. Dann sähe Kerry schlecht aus, denn er liegt in den entsprechenden Umfragen immer im zweistelligen Prozentbereich hinter Bush. Für den Präsidenten ist es dagegen alarmierend, dass immer weniger Leute mit seiner Amtsführung zufrieden sind. „Die Werte von unter 50 Prozent führen uns in die Nervositätszone“, räumt ein Mitarbeiter aus dem Bush-Wahlkampfteam ein.

Wenn der Präsident unter wahrscheinlichen Wählern deutlicher führt, sagt das nur aus, dass Bushs Anhänger entschlossener sind, auch die Stimme abzugeben. Das konservative Lager besteht aus vielen glühenden Bush-Fans. So flammende Begeisterung schlägt dem oft hölzern wirkenden Kerry nicht entgegen. Das heißt aber nicht, dass nicht viele ihre Stimme einfach gegen Bush abgeben wollen.

Umfragen unter allen registrierten Wählern geben auch nur beschränkten Aufschluss. Vor vier Jahren blieb jeder dritte von ihnen zu Hause. Umfragekritiker bezweifeln inzwischen, ob Telefonbefrager überhaupt noch ein repräsentatives Bild von der Stimmung im Lande aufzeichnen können. Millionen Menschen sind es nach Jahren aggressiver Telefonwerbung leid, immer wieder gestört zu werden. „Vor 20 Jahren waren zwei von drei Leuten zu einer Umfrage bereit, heute sind es nur noch 30 Prozent“, sagt Zogby. Hinzu kommt, dass vor allem junge Leute heute oft nur ein Handy und keinen Festanschluss mehr haben. Handynummern werden bei Umfragen aber nicht angerufen.

„Wir versuchen nur, die Wählermeinung an dem Tag einzufangen, an dem die Umfrage stattfindet, aber nicht vorauszusagen, was am Wahltag passiert“, sagt Jeffrey Jones vom Gallup-Institut der „New York Times“. Und die Ergebnisse werden von den jeweiligen Tagesthemen beeinflusst. So glauben viele Wahlbeobachter, dass Kerry sich in den ersten Umfragen nach seinen gewonnen Debatten gegen Bush einen höheren Sympathieschub mit einer Randbemerkung verscherzt hat. Er erwähnte, dass Vizepräsident Richard Cheney eine lesbische Tochter hat. 64 Prozent der Amerikaner fanden das unpassend, fand die „Washington Post“ heraus – per Umfrage natürlich.

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