Auch wenn man den Umfragen, die seit einiger Zeit einen wachsenden Vorsprung für Barack Obama zeigen, trauen will, ist es eher unwahrscheinlich, dass am 4. November neuerlich nur ein winziger Promille-Anteil der amerikanischen Wähler den Ausschlag für einen der beiden Kandidaten geben wird.
Vor acht Jahren hatte der Demokrat Al Gore 543.895 Stimmen Vorsprung vor George W. Bush, das waren 0,33 Prozent der insgesamt 103 Millionen abgegebenen Stimmen (“popular vote”). Genützt hat es ihm bekanntlich nichts, denn nach dem indirekten US-Wahlsystem erhielt er dafür nur 266 Wahlmänner (“electoral vote”). Zu wenig, Bush holte mit 271 die Mehrheit.
Damit errang Bush sein Amt mit dem geringsten Vorsprung an Wahlmännern in der jüngeren Geschichte der USA. Um ein knapperes Ergebnis zu finden, muss man bis ins Jahr 1876 zurückgehen: Auch damals hatte der Demokrat Samuel Tilden seinen republikanischen Gegner Rutherford Hayes nach Stimmen geschlagen. Nach einem undurchsichtigen Parteien-Kompromiss um die Stimmen mehrerer Staaten wurden diese aber alle Hayes zugeschlagen: Der Republikaner gewann mit 185 zu 184 Wahlmännerstimmen.
Nur vier Jahre später gab es das in absoluten Zahlen bis heute knappste Ergebnisse bei einer Präsidentenwahl: 1880 siegte der Republikaner James Garfield über den Demokraten Winfield Hancock mit einem Vorsprung von nur 0,2 Prozent (48,27 zu 48,25 Prozent) – weniger als 2.000 der insgesamt 8,9 Millionen abgegebenen Stimmen gaben den Ausschlag. Garfield sicherte sich damit 214 Wahlmänner, Hancock nur 155.
Auch 1960 war es ein äußerst knapper Wahlausgang nach Wählerstimmen, als der Demokrat John F. Kennedy den republikanischen Vizepräsidenten Richard Nixon um nur 118.574 Stimmen oder 0,17 Prozent der insgesamt 69 Millionen abgegebenen Stimmen distanzierte. Damals profitierte – anders als 2000 – der in Führung liegende Mann vom Wahlsystem: Kennedy hängte Nixon mit 303 zu 219 Wahlmännerstimmen ab.
Ein nach Wahlmännern knappes Rennen waren die Wahlen 1916. Damals schlug Amtsinhaber Woodrow Wilson seinen Herausforderer Charles Evans Hughes mit 277 zu 254 Elektoren. Er lag nach Wählerstimmen mit 49,2 zu 46,1 Prozent vorn.
Im Jahr 2000 vertrieb Bill Clinton George Bush senior mit nur 43 Prozent der Wählerstimmen aus dem Weißen Haus. Der Amtsinhaber unterlag mit 37,5 Prozent. 18,9 Prozent der Wähler stimmten für den unabhängigen Kandidaten H. Ross Perot. Da er aber in keinem Staat die Mehrheit errang, erhielt er auch keine Wahlmännerstimmen.
Das auf Umfragen nicht immer Verlass ist, zeigt eine Anekdote von 1948.
Vor sechzig Jahren sagten die Meinungsforscher voraus, der demokratische Präsident Harry Truman werde dem Republikaner Thomas Dewey unterliegen. Die “Chicago Tribune” ging soweit, am Morgen nach der Wahl auf der Titelseite den Sieg Deweys zu verkünden. In Wirklichkeit hatte Truman gewonnen: Er schlug den Republikaner damals mit 49,5 zu 45,1 Prozent.