Aus vielen Kommentaren in arabischen Medien sprach tiefe Betroffenheit über eine als bedingungslos empfundene Unterstützung Washingtons für Israels Militäroffensive gegen die Hisbollah im Libanon. Ihre Befürchtung: all dies ist nur Wasser auf den Mühlen jener Islamisten und Extremisten, die daran arbeiten, die relativ US-freundlichen Regime in Ländern wie Ägypten und Jordanien zu destabilisieren.
Besonders die jüngsten Äußerungen von US-Außenministerin Condoleezza Rice, es sei nun „die Zeit für einen neuen Nahen Osten“ gekommen, zu dessen „Geburtsschmerzen“ eben auch die Toten und Zerstörungen im Libanon gehörten, haben nach Meinung arabischer Politiker Öl ins Feuer gegossen. Dies wurde in arabischen Ländern als Signal an Israel gesehen, mit den Angriffen fortzufahren, bis die Hisbollah-Bewegung im Libanon entscheidend geschwächt ist. „Diese Stellungnahmen werden gewiss den Extremismus und Terrorismus anfachen“, meinte der jordanische Parlamentsabgeordnete Mohammed Abu Hudaib. Der regierungstreue Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses des Parlaments in Amman fügt hinzu: „Die Äußerungen von Rice zielen darauf ab, die Karten in der Region neu zu mischen. Sie beschwören neue Diktate und einen neuen Kolonialismus herauf.“
Die Aussicht auf ein amerikanisch-israelisches Friedensdiktat zur Unterwerfung der pro-iranischen Hisbollah macht die eher pro-westlichen sunnitischen Herrscher der Region mindestens ebenso nervös wie die nuklearen Ambitionen des schiitischen Iran. Für sie wäre eine bewusst herbeigeführte Verschiebung der diffizilen Gleichgewichte in der Region das Potenzial für neue, größere Kriege. „Niemand, nicht einmal jene (wie Israel), deren militärische Macht sie ermutigt, mit dem Feuer zu spielen, werden davon verschont bleiben“, warnte Saudiarabiens König Abdullah in einer Fernsehansprache.
Dabei bekommen Monarchen wie Abdullah von Saudiarabien und Abdullah II. von Jordanien oder Langzeit-Herrscher wie Ägyptens Präsident Hosni Mubarak mehr und mehr den Druck der eigenen Bevölkerung zu spüren. Zwar halten sich die Demonstrationen in der arabischen Welt im überschaubaren Rahmen. Aber es tauchen dabei immer wieder Hisbollah-Banner und Bilder des Hisbollah-Führers Hassan Nasrallah auf. Auch wenn er sich vor den israelischen Bombenangriffen in Bunkern verstecken muss, ist er doch derzeit Held der arabischen Massen, der Israel erfolgreich die Stirn bietet. „Man mag mit Nasrallah ideologisch übereinstimmen oder nicht, aber er hat jene Würde des Widerstandes wiederhergestellt, die wir schon lange verloren haben“, brachte es der Sprecher der ägyptischen Oppositionsbewegung „Kefaya“ (Genug), George Ishak, am Mittwochabend bei einer Libanon-Kundgebung in Kairo auf den Punkt.
Die Regierungen in Kairo, Riad und Amman hatten zu Beginn des Libanon-Krise deutliche Worte für die Hisbollah gefunden und die Verschleppung der beiden israelischen Soldaten als „Abenteurertum“ verurteilt. Doch selbst das scheinen ihnen die amerikanischen Verbündeten nicht zu danken. Die Appelle „gemäßigter“ Araber für einen sofortigen Waffenstillstand blieben ohne Resonanz der US-Führung. So stehen diese Regierungen ein weiteres Mal vor ihren Bürgern wie begossene Pudel da.
Die Amerikaner verfolgen eben ihr eigenes Spiel, meint Jawad Hamad, Leiter des Nahoststudien-Zentrums in Amman, und wollten von ihrem eigenen Scheitern im Irak ablenken. Die Folgen dieser Politik und der mit ihr einhergehenden Düpierung an sich prowestlicher arabischer Regime seien allerdings absehbar, legt Hamad dar: „Neue Wahlerfolge von islamistischen Gruppen wie der Hamas in Palästina oder der Moslem-Bruderschaft in Ägypten sind programmiert.“