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Urteil im Bergisel-Prozess

Das Gericht sieht im Fall des Bergisel-Unglücks die Schuld bei Stadt und Land. Eine Berufung gegen diese Entscheidung wurde angekündigt.

Wie Richter Werner Engers erklärte, stehe die Höhe der zu leistenden Kosten für die fünf Besucher, die seit der Veranstaltung Pflegefälle sind, vorerst noch nicht fest. Diese werde erst dann festgelegt, wenn das Urteil in erster Instanz rechtskräftig ist. Bisher sei noch nicht klar, ob etwa auch die Republik Österreich sowie der damals zuständige Sicherheitsdienst haften müssen.

Angestrengt wurde diese Musterklage (eine weitere läuft bereits seit Sommer 2001) von den Vertretern der mittlerweile 19-jährigen Judith S. aus dem Bezirk Innsbruck-Land. Die junge Frau ist seit dem Unglück ein Pflegefall. Sie war am 4. Dezember 1999, genauso wie weitere Teilnehmer, von den abströmenden Menschenmassen nahezu erdrückt worden. Fünf Besucher erlagen in der Folge ihren schweren Verletzungen. Judiths Mutter war bei dem Prozess anwesend und verfolgte den Verlauf des Prozesses unter Tränen.

Wie der Richter in der Urteilsverkündung weiter ausführte, habe sich das Unglück nicht wegen „externer Gegebenheiten“, wie etwa Feuerwerkskörper, etc. ereignet. Vielmehr sei dieses im Zug dieser „völlig ruhig verlaufenden“ Veranstaltung entstanden. Der „Air and Style Contest“ sei durch den Auflagenbescheid des Veranstaltungsamtes der Bundespolizeidirektion Innsbruck genehmigt worden. Da es sich dabei um ein Großereignis von überregionalem Interesse gehandelt habe, habe das Amt für das Land Tirol gehandelt.

Sowohl das Veranstaltungsamt als auch die Stadtgemeinde Innsbruck hätten zumindest seit 1995 gewusst, dass das Bergisel-Stadion „als Betriebsanlage für Großveranstaltungen eine sehr problematische, teilweise auch ungeeignete Betriebsanlage ist“, hieß es in der Klagsschrift. „Niemand hat sich darum gekümmert, ob die Veranstaltung in dem Stadion in dieser Art und Weise durchgeführt werden kann“, sagte Engers. Das Event hätte schließlich untersagt werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, müsse das Land Tirol haften. Zudem hätte die zweit geklagte Partei, die Stadt Innsbruck, in ihrer Funktion als Grundstückseigentümerin des Stadions den Schutz der Besucher garantieren müssen. Dieser sei trotz der Warnhinweise jedoch nicht garantiert worden, resümierte der Richter.

Weiterer Punkt der Verhandlung war die Frage, ob es für die Bauweise und Sicherheitsbestimmungen von Stadien internationale Normen gibt. Der Vertreter des Landes Tirol, Paul Bauer, beantragte dazu ein Gutachten, das aber vom Richter abgelehnt wurde.

Die Gesamtschadenssumme der fünf schwer verletzen Jugendlichen, die vermutlich Zeit ihres Lebens Pflegefälle sein werden, belaufe sich auf 15 bis 20 Millionen Euro, rechnete Judiths Anwalt Karl Ulrich Janovsky der APA vor. Diese beeinhalten unter anderem die Rentenansprüche, Verdienst-Entgänge sowie die Heilungskosten. Bisher hätten die Betroffenen von der Versicherung des Veranstalters eine so genannte “Überbrückungshilfe“ in der Höhe von jeweils 36.336 Euro sowie ein staatliches Pflegegeld erhalten.

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