Bern wäre ja nicht Hauptstadt der Schweiz, hätten nicht Reinigungstrupps jegliche Überbleibsel bereits beseitigt. Nun wird aber Ursachenforschung betrieben.
Die rein emotionale Reaktion ist klar, quer durch alle Parteien. Es geht nicht, dass man vor Wahlen mit Gewalt eine Demonstration stört, erklärte dazu der Meinungsforscher Claude Longchamp, Leiter des Forschungsinstituts gfs.bern, Montag früh gegenüber der APA. Allerdings habe sich seit Sonntag abgezeichnet, dass eine Frage immer virulenter wird: Wer ist eigentlich verantwortlich für die Polarisierung?
Prinzipiell sei die Stimmungslage ist klar zugunsten der SVP (Schweizerische Volkspartei), analysierte Longchamp, die SVP versucht natürlich, ihre innere Mobilisierung daraufzusetzen, dass sie attackiert worden ist, was ein Fakt ist und es ist nicht auszuschließen, dass das vor den Wahlen noch einmal hilft.
Nach jüngsten Umfragen von gfs.bern könnte die SVP ihr Rekordergebnis von 2003 wieder erreichen. Sie käme auf 26,7 Prozent, nach den jüngsten Ereignissen sogar darüber. An zweiter Stelle stünde demnach die SP mit 22,3 Prozent. Es folgen die CVP (15,4 Prozent) vor der FDP (15 Prozent). Von den Grünen wird der größte Zuwachs erwartet, sie wollen die Zehn-Prozent-Marke überschreiten.
Die SVP bevorzuge derzeit folgenden Diskurs, meinte der Politologe: Wer ist verantwortlich für die Polizei? Denn das ist klar, das ist die rot-grüne Regierung in der Stadt Bern. Das ist auch der politische Gegner. Die Frage sei nun aber, ob die Polarisierung nicht auch von der SVP mitverschuldet oder angeschoben worden ist.
So habe sogar der Präsident der Polizeivereinigung die SVP kritisiert und gesagt hat: Wer Dreck schmeißt, bekommt ihn zurück. Man werde noch ein bisschen hinschauen müssen, wie sich diese Diskussion auf die Wähler auswirken werde.
Die Neue Zürcher Zeitung sah die Lage freilich klar. Wo Chaoten regieren, schrieb die NZZ und kritisierte auch SP-Politiker wie Bundespräsidentin und Außenministerin Micheline Calmy-Rey, die der SVP indirekt eine Mitschuld an den Vorfällen gegeben hatte: Damit wird auf verhängnisvolle Weise insinuiert, die Krawallmacher handelten politisch. Davon kann keine Rede sein, auch wenn die Radaubrüder gezielt politische Ereignisse zum Vorwand nehmen, um sich auf Kosten der Allgemeinheit auszutoben.
In einem Wahlkampf müsse es erlaubt sein, mit zugespitzten Botschaften zu provozieren. Es ist dann an den Wählern, mit ihrer Stimme eine Kampagne abzustrafen oder zu belohnen. Dass die Chaoten das Recht auf freie Meinungsäußerung aufs Gröbste beschädigten und das rot-grün regierte Bern dabei ohnmächtig zusah, dürfte der SVP jedenfalls mehr nützen als schaden.
In Bern hätte am Samstag ein friedlicher Umzug von Anhängern der rechtskonservativen SVP stattfinden sollen, der von einigen Dutzend Mitgliedern des linksautonomen Schwarzen Blocks verhindert wurde. Sie verwickelten die Polizei in Straßenkämpfe und zerstörten die auf dem Bundesplatz aufgestellte Festeinrichtung.
Die SVP-Kundgebung wurde kurzfristig zum Bärengraben verlegt, wo Blocher und SVP-Präsident Ueli Maurer in improvisierten Reden die Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit anprangerten. Maurer sprach von einem Skandal, dass Chaoten die größte Schweizer Partei daran hindern können, ihre Meinung frei zu äußern.
Der Berner Polizeidirektor Simon Hügli (FDP) sprach noch am Abend von einem schwarzen Tag für die Demokratie und nahm aber zugleich die Polizei in Schutz. Deren Vorbereitungen seien richtig gewesen, die mehreren Hundert Sicherheitskräfte aus drei Kantonen hätten das Gröbste an Schäden verhindern können.
Auf die Euro 2008 verzichten
Nach Angaben der Nachrichtenagentur sda gab es 21 Verletzte, darunter 19 Polizisten, und 42 Festnahmen. Bei den Randalen entstand Sachschaden von mehreren 10.000 Euro. Seitens der SVP wurde auch der Ruf laut, Bern solle auf die im Stade de Suisse der Hauptstadt geplanten Spiele im Rahmen der Fußball-Euro 2008 verzichten, wenn die Polizei die Sicherheit nicht gewährleisten könne.