"Unzureichend" - Selenskyj fordert Waffenruhe ab Montag vor direkten Gesprächen

Die Verhandlungen ohne Vorbedingungen sollten am Donnerstag in Istanbul starten, sagte Putin Sonntag früh in einer vom Fernsehen übertragenen Rede. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wertet den Vorschlag zwar als positives Zeichen, pocht aber auf eine Waffenruhe ab Montag.
Russland hat "kein Interesse an Waffenpause"
ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz ist in seiner Analyse überzeugt, dass Russland gar kein Interesse an einer Waffenruhe hat.
"Unzureichend" sagt Macron
Der französische Präsident Emmanuel Macron bezeichnete den Vorschlag Putins als unzureichend. Putin suche nach einem Weg vorwärts, er versuche aber auch, Zeit zu gewinnen, sagte Macron auf seiner Rückreise aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew vor der Presse. Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz bestand auf einer Waffenruhe als Bedingung für Verhandlungen. "Wir erwarten von Moskau, dass es jetzt einem Waffenstillstand zustimmt, der echte Gespräche überhaupt erst ermöglichen kann", erklärte Merz in Berlin. "Erst müssen die Waffen schweigen, dann können Gespräche beginnen."
"Es ist ein erster Schritt, aber er reicht nicht aus", kritisierte Macron. "Einer bedingungslosen Waffenruhe gehen keine Verhandlungen voraus." Selenskyj erklärte auf der Plattform X, der erste Schritt zur tatsächlichen Beendigung eines Krieges sei eine rasche Waffenruhe. "Wir erwarten von Russland, dass es eine Waffenruhe - eine vollständige, dauerhafte und verlässliche - ab morgen, dem 12. Mai, bestätigt." Der ukrainische Präsident betonte auch: "Es hat keinen Sinn, das Töten auch nur einen Tag fortzusetzen."
Türkei und Österreich zu Gastgeberrolle bereit
Die Türkei ist bereit, die von Russland vorgeschlagenen Friedensgespräche mit der Ukraine auszurichten. Das sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan in getrennten Telefonaten mit dem russischen Staatschef Putin und dem französischen Präsidenten Macron, wie Erdogans Kommunikationsdirektor berichtete. Die Türkei sei bereit, jeglichen Beitrag zu leisten, um eine Waffenruhe und einen dauerhaften Frieden zu erreichen - einschließlich der Ausrichtung von Verhandlungen.
Der Kreml bestätigte das Telefonat Putins mit Erdogan. Die russische Initiative zur Wiederaufnahme der Verhandlungen sei dabei ausführlich erörtert worden, hieß es aus Moskau. Bereits 2022 kurz nach Kriegsbeginn hatten Russland und die Ukraine in Istanbul letztlich erfolglose Verhandlungen über ein Ende der Kampfhandlungen geführt.
Auch die österreichische Bundesregierung bietet Wien als Verhandlungsort an. "Österreich begrüßt die aktuellen Bemühungen um einen Friedensschluss und Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland. Die österreichische Regierung ist bereit, die Verhandlungen in Wien als Sitz der UNO zu führen und zu einem gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine beizutragen", schrieb das Außenministerium in Wien auf Sozialen Netzwerken.
Putin will Verhandlungen ohne Vorbedingungen
"Wir schlagen vor, dass Kiew die direkten Verhandlungen ohne Vorbedingungen wieder aufnimmt", sagte Putin in seiner Rede. Russland wolle diese Gespräche mit der Ukraine, um "die Ursachen des Konflikts zu beseitigen" und "die Wiederherstellung eines langfristigen, dauerhaften Friedens zu erreichen". Erst um Mitternacht (23.00 Uhr MESZ) war eine von Putin einseitig angeordnete dreitägige Feuerpause ausgelaufen.
"Es war nicht Russland, das die Verhandlungen im Jahr 2022 abgebrochen hat", erklärte Putin. "Unser Vorschlag liegt auf dem Tisch, die Entscheidung liegt jetzt bei der ukrainischen Regierung und ihren Vormündern, die sich, wie es scheint, von ihren persönlichen politischen Ambitionen leiten lassen und nicht von den Interessen ihrer Völker."
US-Präsident Donald Trump zeigte sich willens, den Friedensprozess zu fördern. "Ich werde weiter mit beiden Seiten zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass dies geschieht", teilte er auf seiner Plattform Truth Social mit.
Aufruf zu 30-tägiger Waffenruhe
Die Europäer und die USA hatten Russland am Samstag zu einer 30-tägigen Waffenruhe in der Ukraine ab Montag gedrängt. Merz, der britische Premierminister Keir Starmer, Macron und der polnische Ministerpräsident Donald Tusk pochten bei einem gemeinsamen Besuch in Kiew auf ein Aussetzen der Kämpfe und lehnten russische Vorbedingungen ab. Es gehe um eine "bedingungslose" Waffenruhe, betonte das Quartett nach Beratungen mit Selenskyj sowie einer Videoschaltung mit Staats- und Regierungschefs von fast zwanzig weiteren Staaten. Danach informierten sie Trump telefonisch, der das europäische Vorgehen nach Angaben von Merz und Macron ausdrücklich unterstützte.
Putin hatte im Februar 2022 Tausende von Truppen in die Ukraine entsandt und damit die schwerste Konfrontation zwischen Russland und dem Westen seit der Kuba-Krise 1962 ausgelöst. Inzwischen kontrollieren die russischen Streitkräfte rund ein Fünftel der Ukraine und rücken weiter vor. Putin hatte im Juni 2024 erklärt, zu den Bedingungen für ein Kriegsende gehörten, dass die Ukraine ihre NATO-Ambitionen offiziell aufgeben und ihre Truppen aus dem gesamten Gebiet der vier von Russland besetzten ukrainischen Regionen abziehen müsse.
(APA)