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UNO-Migrationspakt: Kurz will genauen Migrationsbegriff

Bundeskanzler Kurz will keinen "schwammigen" Migrationsbegriff.
Bundeskanzler Kurz will keinen "schwammigen" Migrationsbegriff. ©APA/Herbert Pfarrhofer
Bundeskanzler Kurz will keinen "schwammigen" Migrationsbegriff. Außerdem betont er, dass Österreichs Entscheidung auch andere Staaten zum Nachdenken gebracht hat.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Mittwoch Österreichs ablehnende Position zum UNO-Migrationspakt bekräftigt. Ob diesem Beispiel nun andere Staaten folgen, sei deren Entscheidung, erklärte er nach dem Ministerrat im Pressefoyer. Jedenfalls hält er einen “schwammigen” Migrationsbegriff nicht für unterstützenswert.

Andere Staaten denken auch über Ausstieg nach

Ob man dem Pakt zustimmt oder nicht: “Das ist eine Entscheidung, die jeder Staat für sich zu treffen hat”, so Kurz auf die Frage, ob er sich aufgrund Österreichs Enthaltung nun eine Art Dominoeffekt erwartet. Österreich nehme Abkommen sehr ernst und so bestehe auch bei Unverbindlichkeit die Gefahr des Gewohnheitsrechts. Auf andere Staaten wolle er keinen Einfluss nehmen, in welche Richtung auch immer. Mit der Enthaltung wolle man jedenfalls sicherstellen, dass die Vereinbarung für Österreich nicht wirksam wird.

“Das ändert nichts daran, dass wir uns zu multilateraler Zusammenarbeit bekennen und gemeinsam in der Migrationsfrage agieren sollten”, sowohl in der EU als auch mit Transit- und Herkunftsländern, erklärte der Kanzler weiters.

Vizekanzler und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache verwies darauf, dass nach Österreichs Entscheidung nun auch in vielen anderen Staaten über das Thema nachgedacht werde.

Slowenien denkt auch über Ausstieg nach

Nach dem Ausstieg Österreichs und Ungarns aus dem UNO-Migrationspakt will nun auch Slowenien die Unterstützung dafür noch einmal prüfen. Die Entscheidung Österreichs habe Slowenien “überrascht”, sagte Außenminister Miro Cerar am Mittwoch nach einem Treffen mit seiner Amtskollegin Karin Kneissl in Wien. Wegen der neuen Rahmenbedingungen müsste die slowenische Position nun aber evaluiert werden.

Kneissl habe ihm am Mittwoch weitere Einblicke in die Entscheidung der ÖVP-FPÖ-Regierung gegeben, meinte Cerar. Die Regierung in Ljubljana müssen nun erörtern, ob Slowenien bei der Annahme des UNO-Dokuments “möglicherweise Vorbehalte” ausdrücken soll. Es sei richtig, darüber zu diskutieren. Das Mitte-Links-Kabinett steht indes unter massivem Druck der konservativen Opposition, den UNO-Pakt ebenfalls aufzukündigen. Bereits am Montag war der slowenische Premier Marjan Sarec auf Distanz zu dem Dokument gegangen und hatte klargestellt, dass er im Dezember nicht am Gipfel in Marrakesch teilnehmen werde, bei dem der Migrationspakt mit Akklamation angenommen werden soll.

Bei seinem Gespräch mit Kneissl in Wien forderte Cerar eine Erhöhung der Förderungen für die slowenische Minderheit in Österreich. Eine solche sei schon länger ausständig. Die Ministerin zeigt Bereitschaft, das Thema mit den zuständigen Stellen zu besprechen. “Es ist uns bewusst, dass es in 20 Jahren keine Erhöhung gegeben hat”, erklärte Kneissl. Cerar argumentierte, dass die Bedürfnisse der slowenischen Minderheit in Kärnten seither gestiegen seien. Daher sei eine Anpassung längst überfällig.

Das Thema soll neben anderen – die Palette zu behandelnder bilateraler Fragen reicht laut Kneissl “von Minderheitenfragen bis zu den Lipizzanern” – in einem “gemeinschaftlichen Nachbarschaftsdialog” erörtert werden, der seine Arbeit im kommenden Jahr aufnehmen wird. Kein Schwerpunkt sei bei dem Gespräch in Wien die umstrittene Indexierung der Familienbeihilfe für Kinder, die nicht in Österreich leben, gewesen, erklärten beide Seiten. Slowenien empfindet das Ansinnen der Wiener Bundesregierung zwar als diskriminierend. Die Frage müsse aber auf europäischer Ebene behandelt werden. Es sei nun Aufgabe der EU-Kommission eine Lösung zu finden, meinte der slowenische Chefdiplomat.

Ansichten über Grenzkontrollen gehen auseinander

Unterschiedliche Ansichten gibt es auch bezüglich der Notwendigkeit einer stärkeren Kontrolle der Grenze zwischen den beiden Ländern, wurde eingeräumt, allerdings erwachse daraus kein großes “bilaterales Problem”. Cerar verwies jedoch darauf, dass Slowenien seinen Beitrag zum Schutz der Schengengrenze liefere. Einigkeit gebe es darüber, dass der Schutz der EU-Außengrenzen wichtig sei. Im internationalen Kontext wollen Österreich und Slowenien eine gemeinsame Initiative zur Entminung in Syrien starten, kündigten Kneissl und Cerar an. Slowenien habe diesbezüglich noch aus der Zeit nach dem Krieg in Bosnien-Herzegowina eine ausgezeichnete Expertise, lobte die Außenministerin.

In einem per E-Mail geführten Interview mit der APA hatte Cerar bereits im Vorfeld des Besuchs die Dominanz der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) in der EU-Politik kritisiert. Es sei “nicht im demokratischen Interesse, dass nur eine Partei, auch wenn sie die größte ist, den Vorsitzenden der Kommission, des Europäischen Rates und des Parlaments bekommt, also alle Schlüsselfunktionen”, meinte der 55-Jährige.

Der liberale Ex-Premier ging diesbezüglich auch auf Distanz zum Spitzenkandidatensystem für die Europawahl, das vor allem von der EVP propagiert wird. Bei ihrem am heutigen Mittwoch in Helsinki beginnenden Kongress will die größte EU-Partei ihren Spitzenkandidaten für die Europawahl im Mai 2019 küren, der dann auch den Anspruch auf den Posten des EU-Kommissionspräsidenten stellen soll.

Cerar erklärte, dass das Spitzenkandidatensystem zwar dazu diene, die EU-Parteipolitik den Unionsbürgern anzunähern, es liege aber auch “in gewisser Weise über Kreuz mit der Rechtsordnung beziehungsweise dem Entscheidungsprozess zur Ernennung des Kommissionspräsidenten, in den die Institutionen eingebunden sind”.

Ungarn gratuliert Österreich zum Ausstieg

Österreich und Ungarn haben einmal mehr völlige Einigkeit beim Thema Migration demonstriert. Im Rahmen eines Wien-Besuches gratulierte Ungarns Außenminister Peter Szijjarto Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) am Mittwoch zur Entscheidung, aus dem UNO-Migrationspakt auszusteigen. Strache wiederum lobte Ungarns “Vorreiterrolle” in der EU.

Aus Sicht der Ungarn stellt das rechtlich nicht bindende Abkommen – laut Szijjarto ein “extrem voreingenommenes Dokument” – eine “große Gefahr” für Europa dar und laufe zudem EU-Interessen zuwider. Insgesamt sei es der “Versuch, illegale Migration zu legalisieren” und Migration als Menschenrecht darzustellen, erläuterte der ungarische Außenminister vor Journalisten in Wien.

Strache stieß ins gleiche Horn: Migration dürfe nicht zum Menschenrecht werden. Da 17 von 23 Punkte des Globalen Paktes, der im Dezember bei einer Konferenz in Marrakesch unterzeichnet werden soll, “negative Elemente” beinhalten würden, könne er diesen nicht unterstützen, so der Vizekanzler. “Wenn man sich selbst ernst nimmt, kann man das nicht unterschreiben”, erklärte er. Österreich werde deshalb auch keinen Regierungsvertreter nach Marokko entsenden.

Strache lobt Regierung in Budapest

Für die Regierung in Budapest fand Strache Worte des Lobes. Ungarn sei ein “Vorreiter und vorbildhaft für die EU”, sagte er in Anspielung auf Ungarns Verhalten im Zuge der “Flüchtlingskrise 2015/2016”, als das Land wegen seines Grenzzaunbaus heftig kritisiert wurde. Ungarn war neben den USA zudem das erste Land, das sich gegen den UNO-Migrationspakt ausgesprochen hat.

Sowohl Szijjarto als auch Strache übten ihrerseits Kritik an der Europäischen Union, insbesondere am EU-Parlament. Dort hatte die Grünen-Europaabgeordnete Judith Sargentini vor wenigen Wochen einen sehr kritischen Bericht zur Rechtsstaatlichkeit in Ungarn präsentiert. Der FPÖ-Chef ortete hier “Aktionen gegen Ungarn aus politischer Motivation heraus”. Szijjarto wiederum bedankte sich bei Strache für die Unterstützung der FPÖ nach dem “unwürdigen Angriff” auf Ungarn durch die EU.

Lediglich bei einem Aspekt wurden die Bruchlinien zwischen Strache und Szijjarto sichtbar: Ungarn solle das Rücknahmeabkommen mit Österreich wieder aktivieren, forderte der Vizekanzler. Budapest weigert sich seit Langem, Flüchtlinge im Rahmen der Dublin-Vereinbarung von Österreich zurückzunehmen. Szijjarto erteilte der Forderung postwendend eine Absage: Jene Asylwerber, die über Ungarn nach Österreich kommen, hätten bereits zuvor ein oder mehrere EU-Länder durchquert – hätten also gemäß “Dublin” bereits dort registriert werden müssen. Ungarn fühle sich deshalb für diese Asylsuchenden weiterhin nicht zuständig.

Für Szijjarto stand nach seinem Treffen mit Strache auch ein Gespräch mit Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) auf dem Programm. Gefragt, warum nicht Kneissl gemeinsam mit ihrem Amtskollegen vor die Presse trat – wie ansonsten üblich – sondern eben der Vizekanzler, meinte Strache nur: Wenn es ein Ersuchen von ungarischer Seite gibt, “dann kommt man dem auch nach”. Laut Außenamt geht es bei den Gesprächen um bilaterale Beziehungen und aktuelle EU-Fragen.

(APA/Red)

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