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UNO: Kofi Annan verliert Beherrschung

Bei den Vereinten Nationen liegen die Nerven derzeit so blank, dass selbst der sanfte Kofi Annan die Beherrschung verlieren kann. Dafür sorgt der amerikanische UNO-Botschafter John Bolton.

Als ihm der britische Reporter James Bone eine Frage nach einem Mercedes stellt, den Annans Sohn steuerfrei auf den Namen seines Vaters eingeführt haben soll, weist ihn der Generalsekretär barsch zurecht: „Sie führen sich auf wie ein zu groß geratener Schuljunge. Sie sind eine Schande für Ihre Kollegen und Ihren Berufsstand.“

Der Friedensnobelpreisträger des Jahres 2001 steht unter Druck. Sein letztes Amtsjahr könnte unter chaotischen Verhältnissen beginnen. Denn der amerikanische UN-Botschafter John Bolton droht damit, den Zweijahresetat für 2006/2007 zu blockieren, wenn die anderen Mitgliedsländer bis zum Jahresende nicht noch weit reichende Reformen absegnen. Zurzeit wird in eisiger Atmosphäre darüber verhandelt. Manche Staaten klagen über „Drohungen und Einschüchterungsversuche“.

Einige Forderungen Boltons finden breite Unterstützung, etwa der Ruf nach einer Reform der UN-Menschenrechtskommission, in der zuweilen Staaten wie Libyen und Syrien über die anderen urteilen. Doch einige Forderungen Boltons haben den Verdacht aufkommen lassen, es gehe ihm letztlich nicht um die Reform, sondern um die Entmachtung der Vereinten Nationen: So will er die Position des Generalsekretärs auf Kosten der UN-Vollversammlung erheblich verstärken.

Gleichzeitig spricht er sich bei jeder Gelegenheit dagegen aus, im nächsten Jahr einen Asiaten zum Nachfolger von Annan zu ernennen, so wie es nach dem – inoffiziellen – Rotationsprinzip bei den UN geschehen müsste. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die USA stattdessen den an diesem Freitag aus dem Amt scheidenden polnischen Präsidenten Aleksander Kwasniewski nach New York holen wollen, und der hat auch schon mehrfach Interesse bekundet. Kämen die USA damit durch, würden die Vereinten Nationen bald von einem treuen Bush- Verbündeten aus „New Europe“ gelenkt. Vor allem kleinere Länder sprechen schon von einem „amerikanischen Diktat“.

Selbst Amerikas engste Verbündete können nicht begreifen, warum Bolton so kompromisslos auftritt – denn nichts bringt den großen Block der Entwicklungsländer in der Vollversammlung derart in Wallung wie ein aggressiver US-Botschafter. Auch die sinnvollsten Vorschläge haben dann oft keine Chance mehr durchzukommen.

Kofi Annan hält mit seiner Verärgerung über Bolton nicht mehr hinter dem Berg. Lange wirkte er wie gelähmt, doch das ist vorbei. Kürzlich zitierte er Bolton zu sich, nachdem dieser die UN- Menschenrechtskommissarin Louise Arbour abgekanzelt hatte. In der Diskussion über seinen Nachfolger sprach sich Annan am Mittwoch für einen Asiaten aus. Und nach Boltons Stil gefragt, antwortete er: „Die effektivsten Botschafter, die ich in diesem Gebäude kennen gelernt habe, waren solche, die sich mit anderen an einen Tisch setzen und ihnen entgegenkommen konnten, die fähig waren, Koalitionen zu schmieden.“ Im übrigen sprächen Boltons Äußerungen für sich.

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