Der vollständig in Berlin spielende und gedrehte Film arbeitet sich dabei an der Horrorvorstellung ab, die eigene Identität zu verlieren und nicht zu wissen, weshalb. Wie Doug Limans “Die Bourne Identität” verfolgt das neueste Werk des Spaniers Jaume Collet-Serra (“Orphan”) die verzweifelte Suche seines Protagonisten nach Erklärungen und agiert dabei weniger verwinkelt als ein weiteres Vorbild, “Memento”. Jedoch wartet “Unknown Identity” mit überraschenden Plottwists auf.
Ungeachtet einiger Countdowns, um die Geschichte unter Spannung zu halten, nimmt sich Collet-Serra Zeit, gewisse Entwicklungen seiner Figur durchzuspielen, beschränkt sich nicht nur auf Zwischenspiele bis zur nächsten Verfolgungsjagd – auch wenn er eine ebensolche unter den Arkaden der Friedrichstraße im Portfolio hat. Zugleich gelingt es ihm und dem routinierten Liam Neeson stärker als vielen Vorgängerwerken, eine Ambivalenz seiner Hauptfigur zumindest anzudeuten.
Außer Konkurrenz im Wettbewerb der Berlinale gestartet, wartet der Film überdies mit einer ganzen Riege an Stars aus dem deutschen Sprachraum auf. Allen voran Exil-Deutsche Diane Kruger, welche die Exil-Bosnierin Gina spielt, die den um seine Identität kämpfenden Harris durch die Untiefen Berliner Zwischenwelten geleitet.
Aus Österreich ist Karl Markovics in einer kleinen Nebenrolle als Arzt an Bord, während Sebastian Koch als Biowissenschafter reüssiert. “Für uns deutsche Schauspieler ist es wundervoll, nicht immer den Nazi oder den Bösen zu geben”, hatte Koch auf der Berlinale unterstrichen. Mit von der Partie ist auch Bruno Ganz, wobei der Schweizer einen ehemaligen Stasioffizier spielt. Aber auch sonst feuert der Schauspieler im Kino derzeit aus allen Rohren. In Österreich läuft noch “Das Ende ist mein Anfang” in den Lichtspielhäusern, schon folgt “Unknown Identity” und am Tag darauf “Satte Farben vor Schwarz” als dritter Film mit Ganz-Beitrag.
Eine weitere Hauptrolle in “Unknown Identity” – der interessanterweise nur im Deutschen den Zusatz mit Identitätsbezug trägt und im Original schlicht “Unknown” heißt – spielt die deutsche Hauptstadt, die Collet-Serra allerdings so gar nicht im sexy Hochglanzstyling, sondern im verschneiten Wintergrau präsentiert. Weder Reichstag noch Potsdamer Platz, weder Museumsinsel noch Unter den Linden sind zu sehen – dafür umso ausführlicher das Luxushotel “Adlon” am Pariser Platz, auch wenn die Hälfte des Gebäudes am Ende in die Luft fliegt.
Den Zuschauern selbst scheint es jedenfalls zu gefallen. Der Berlin-Thriller schnellte gleich in der ersten Woche an die Spitze der nordamerikanischen Kinocharts und spielte bisher bereits rund 43 Mio. Dollar (31 Mio. Euro) in den USA ein. (APA)