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Unheilbar kranker Italiener gestorben

Täglich druckten italienische Zeitungen Fotos des unheilbar kranken Piergiorgio Welby und auch das Fernsehen berichtete in fast allen Nachrichtensendungen über den heiklen Fall. 

Selten hat ein ganzes Land das Drama eines einzelnen Menschen so hautnah miterlebt. Welby wollte sterben, er kämpfte um das Recht, seinem Leiden ein Ende zu setzen – und brachte damit in Italien eine Diskussion über ein Thema in Gang, das viel zu lange brach gelegen hatte. Aktive und passive Sterbehilfe, Patientenverfügungen und medizinische Maßnahmen zur Lebensverlängerung, all das liegt in Italien bisher in einer Art Grauzone.

Und so wurde Welby zum Vorreiter einer Kampagne, die dem juristischen Chaos in puncto Euthanasie ein Ende setzen könnte. Der 60 Jahre alte Römer litt seit 40 Jahren an fortschreitendem Muskelschwund, war zuletzt ans Krankenbett gefesselt und konnte nur noch mit den Augen kommunizieren. Seit neun Jahren lebte er nur noch dank eines Beatmungsgerätes – jenes Beatmungsgerätes, das ein Arzt in der Nacht zum Donnerstag auf Wunsch des Patienten abstellte.

„Er hat gleich zwei Kämpfe geführt: Einen gegen sein Leiden und einen darum, alle legalen Wege auszuschöpfen, um seinem Leiden ein Ende zu setzen“, sagte ein Sprecher der Radikalen Partei mit Tränen in den Augen. Die Partei setzt sich für eine Legalisierung der Sterbehilfe ein. Jedoch war zunächst nicht klar, ob juristische Schritte gegen den Arzt eingeleitet werden, der Welby letztlich von seinem Leiden erlöste. Dieser betonte, nur dem Willen des Patienten nachgekommen zu sein. Es habe sich nicht um aktive Sterbehilfe gehandelt.

Jedoch wurde gleichzeitig bekannt, dass Welby vor der Abstellung des Beatmungsgerätes betäubt worden war – und eben diese Maßnahme war ihm in der vergangenen Woche von einem Zivilgericht verboten worden. Gleichzeitig forderten die Richter die Regierung auf, sich endlich des Themas anzunehmen und Gesetzeslücken zu schließen.

Welby hatte die Debatte im vergangenen September entfacht, als er einen eindringlichen Brief an den italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano schrieb. „Das, was mir geblieben ist, ist kein Leben mehr. Es ist nur ein dickköpfiges und unsinniges Festhalten an der Aufrechterhaltung der biologischen Funktionen“, schrieb der Schwerkranke. Er bat Napolitano deshalb um die „Gnade der Sterbehilfe“ – und machte sein persönliches zu einem öffentlichen Drama, das die Menschen von Mailand bis Messina aufrüttelte.

Sterbehilfe ist ein heißes Eisen im katholischen Italien, wo der Vatikan immer wieder heftig gegen Euthanasie mobil macht und „die Verteidigung des Lebens in all seinen Phasen, von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende“ fordert, wie Kardinal Renato Raffaele Martino noch im September betonte. Wo aber die Grenze zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe verläuft, was erlaubt und was verboten sein sollte, das ist auch in der Kirche letztlich nicht geklärt. Zeitungen verwiesen am Donnerstag darauf, dass auch Papst Johannes Paul II. auf lebensverlängernde Maßnahmen verzichtete, als die Ärzte ihm sagten, es gebe keine Möglichkeit der Gesundung mehr.

Mit Welbys Tod ist sein persönliches Drama zu Ende. Das öffentliche Drama aber bleibt – und wird die Regierung in Rom zwingen, die Grauzone zu erhellen und sich dem heiklen Thema der Euthanasie zu widmen. Gesundheitsministerin Livia Turco brachte es auf den Punkt: „Wir brauchen dringend neue, klarere Normen.“

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