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Ungarn: Medgyessy spricht von „kleinem Putsch“

„Ich gehe schweren Herzens, doch erhobenen Hauptes“. Mit diesen Worten kommentierte Peter Medgyessy seinen Rückzug als ungarischer Premier. Im Fernsehen erklärte er, sich über die Art seines Ausscheidens noch nicht entschieden zu haben.

Er wolle nun alles daran setzen, um das Ansehen der Regierung möglichst effektiv zu schützen. Medgyessy bezeichnete die Ereignisse der vergangenen Tage als „kleinen Putsch“, an dem außer dem kleinen Koalitionsparteien Bund Freier Demokraten (SZDSZ) auch Politiker der Sozialisten (MSZP) teilgenommen hätten.

Medgyessy sprach von einem „armseliges“ Verhalten, das ihm gegenüber an den Tag gelegt wurde. Denn hinter dem Entzug des Vertrauens durch den kleinen Koalitionspartner habe nicht Wirtschaftsminister Istvan Csillag (SZDSZ) gestanden, sondern vielmehr sei seine angekündigte Härte auf Abneigung gestoßen. Hätte ich „die kleinen Kompromisse geschlossen, zu denen ich nicht bereit war, dann hätte es keine Veränderungen in der Regierungstätigkeit gegeben“.

Medgyessy wollte eine Veränderung im Regierungsverhalten, nur habe er dafür keine Partner gefunden. Seine Minister wären solange mit der „entschlossenen und harten Wirtschaftspolitik“ einverstanden gewesen, solange diese ihre eigenen Ministerien nicht berührte. Medgyessy gab zugleich zu, kein „Vollblutpolitiker“ zu sein. Zu dieser Erkenntnis sei er gelangt.

Bei seiner Rücktrittsentscheidung habe es sich nicht um „Taktieren“ gehandelt. Er habe nur den Erfolg der Koalition gewollt. Doch in dieser Koalition hätte der kleine Partner (SZDSZ) einfach die Positionen der großen Partei (MSZP) außer acht gelassen und bestimmt, was zu tun sei. Dann hätten sich die beiden Parteien vereint, um die Regierung „zu zerschlagen“. Und die Opposition brauche nur zu warten, um die Situation für eigene Machtbestrebungen auszunutzen.

Bei dem „kleinen Putsch“ habe es kein Drehbuch über die Abwicklung und mögliche Risiken gegeben. Dabei habe er in den Jahren seines Regierens vergebens geglaubt, dass es Kooperation und Solidarität sowie gegenseitige Achtung zwischen den Politikern gebe. Deswegen habe er eine „Politik der Gesten“ präferiert.

Medgyessy erinnerte an konkrete Erfolge seiner Regierung, an soziale Errungenschaften, wie erhöhte Pensionen, erhöhtes Kindergeld sowie an das gesteigerte internationale Ansehen der Donaurepublik und das gute Verhältnis zu den Nachbarn. Vergleiche zwischen der rechtskonservativen Vorgängerregierung von Ex-Premier Viktor Orban und der sozialliberalen Regierung hinsichtlich der Errungenschaften würden zu Gunsten letzterer ausfallen. Die Koalition und die Regierung bräuchten sich nicht zu schämen. Die Wirtschaft sei keineswegs in einer Krise, wie von der Opposition behauptet.

Seinen Rücktritt habe er nicht mit seinen Beratern abgesprochen. Nun ginge es um eine „schnelle Lösung“. Dabei stünden die Interessen des Landes an erster Stelle, dann käme die Linke und erst dann Personen. Hinsichtlich des möglichen konstruktiven Misstrauensantrags meinte Medgyessy, die Regierung habe einen solchen nicht verdient, denn die Regierungsmitglieder müssten begründen, warum ein solcher Antrag gestellt wird.

Was seine Zukunft anbelange, müsse er die Ereignisse zunächst „verdauen“, die er später vielleicht in Buchform zu Papier bringen wolle. Es könnte Bedarf für seine Erfahrungen bestehen, wobei sein internationales Ansehen „schwer anzuzweifeln“ sei.

Laut Meinung des SZDSZ hätte das Programm von Medgyessy hinsichtlich der Regierungsumbildung nicht ausgereicht, dass die Regierung bis 2006 eine erfolgreiche Tätigkeit ausübe – erklärte Gabor Horn, Geschäftsführer des SZDSZ, im MTV. Horn dementierte, dass es zwischen den Koalitionspartnern ein „Drehbuch“ über den Sturz des Premiers gegeben hätte.

Laszlo Kovacs, Vorsitzender der Sozialisten, sagte, dass es mit einer „langen Prozedur“ verbunden sei, wenn Medgyessy seinen Rücktritt erkläre und nicht den Misstrauensantrag wähle, mittels dem schnell ein neuer Premier gewählt werden könnte. Der Politologe Gabor Török betonte Einvernehmen mit Medgyessy hinsichtlich der möglichen Ablehnung des Misstrauensantrages, da ein solcher einen enormen „Prestigeverlust“ darstelle.

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