Unentdeckte Blindgänger in der Mozartstadt

Vom 16. Oktober 1944 warf die US-amerikanische Armee bis Kriegsende knapp 9.500 Bomben über Salzburg ab. Dadurch wurden insgesamt 574 Menschen getötet.
Zum Vergleich: Die Alliierten flogen im Zweiten Weltkrieg mehr als 3.000 Luftangriffe über dem jetzigen österreichischen Bundesgebiet. Bei diesen Angriffen wurden etwa 120.000 Tonnen Bomben aller Kaliber abgeworfen. Daraus kann man schließen, dass etwa 450.000 bis 600.000 Bomben abgeworfen wurden.
Etliche vergrabene Blindgänger
Experten vermuten, dass knapp zehn bis 13 Prozent aller abgeworfenen Bomben Blindgänger sind. Das wären in Salzburg und Umgebung immerhin knapp 900 Sprengkörper! Ein Großteil wurde direkt nach Beendigung des Krieges entschärft und entsorgt – genaue Zahlen gibt es allerdings nicht.
Es liegen noch etliche vergraben und unentdeckt unter der Erde, immer wieder werden zufällig neue gefunden. “Es ist äußerlich nicht zu erkennen, ob der Zünder beschädigt bzw. blockiert ist oder lediglich noch nicht ausgelöst hat. Deswegen stellen diese Blindgänger eine stetige Gefahr dar”, so Dietmar Höhne von der EOD Munitionsbergung im Gespräch mit SALZBURG24.
Österreichweit werden noch rund 15.000 Fliegerbomben in der Erde vermutet.
Das große Problem: Der Zünder
Problematisch sind dabei die Zünder: Man unterscheidet grob zwischen mechanischen und chemischen. Erstere detonieren beim Aufprall auf die Erde, letztere können – je nach Einstellung – nach einer bis 144 Stunden detonieren. “Insgesamt wurden über Salzburg knapp 800 Bomben mit chemischem Langzeitzünder abgeworfen”, sagt Dieter Vierbach, ebenfalls von der EOD Munitionsbergung und führt fort, “von diesen 800 sind geschätzt 25 Prozent – also knapp 200 – nicht in der vorgesehenen Zeit detoniert.”
In den letzten Jahren gab es immer wieder Fälle von plötzlichen Explosionen von Blindgängern mit chemischen Zündern. Zuletzt im August 2012 in der Donau in Wien, in Salzburg war es 2003. Damals wurden zwei Entminungsexperten bei der Entschärfung eines Blindgängers aus dem Zweiten Weltkrieg im Stadtteil Schallmoos getötet.
Stetige Explosionsgefahr
“Man kann Detonationen nicht vorhersehen. Der Schlagbolzen wird durch mehrere Zelluloid-Schichten festgehalten, doch nach der Zeit zersetzen sich diese und es kommt zur Explosion”, so Höhne. “Nicht nur die Zersetzung spielt eine Rolle, sondern auch Erschütterungen und Temperaturveränderungen nach dem Freilegen.”
Kein Sachbearbeiter in Salzburg
Der Magistrat Salzburg hat vor knapp zehn Jahren mithilfe von Luftbildern einen Bombenkataster erstellt, die Karte wurde seit dem immer mal wieder ergänzt. Jedoch ist der verantwortliche Sachbearbeiter im Magistrat längst in Pension – seit dem ist der Posten unbesetzt!

Auf dieser Karte werden 56 Bomben im Stadtgebiet Salzburg vermutet, die jedoch noch nicht sondiert wurden. Im nördlichen Gebiet vom Stadtteil Aigen wurde ein Sprengkörper gefunden, der aber noch nicht geborgen wurde.
Niemand kann genau sagen, ob oder wann die Bombe explodiert.
Grundeigentümer verantwortlich
Land und Bund waren sich jahrelang nicht einig, wer für die Sichtung, Bergung und Entschärfung bzw. Sprengung der Blindgänger zuständig ist. Nach langem Rechtstreit hat der Oberste Gerichtshof entschieden, dass die Grundbesitzer für die anfälligen Kosten der Bergung verantwortlich sind. Der Bund kann zur Übernahme der Kosten nicht verpflichtet werden, weil es schlichtweg keinerlei gesetzliche Bestimmung gibt, die das vorschreiben würde, hieß es 2011 in der Entscheidung.
Die Suche und Bergung eines Kriegsrelikts kostet im Schnitt rund 200.000 Euro.