Israel kündigt Angriffe auf Hamas-Kämpfer in Tunneln an

Das Gebiet sei in zwei Hälften geteilt. Unterdessen wurde der Grenzübergang Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten nach einer zweitägigen Schließung am Montag wieder für die Ausreise von Ausländern und Verletzte geöffnet.
Laut einem ägyptischen Grenzbeamten kamen zunächst sechs Krankenwagen mit Verletzten aus dem Gazastreifen in Ägypten an. Wenig später beobachtete er die Ankunft einer ersten Gruppe von Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft. In der vergangen Woche hatten bereits dutzende verletzte Palästinenser und hunderte Ausländer den Gazastreifen über den Grenzübergang Rafah verlassen können. Am Samstag und Sonntag war dieser geschlossen worden, nachdem die israelische Armee einen Krankenwagen im Gazastreifen beschossen hatte.
Gaza angeblich im Norden eingekreist
Der Militärsprecher berichtete indes, dass die Stadt Gaza im Norden mittlerweile eingekreist sei und damit ein wichtiges Etappenziel erreicht sei. Er äußerte sich wenige Stunden nach einer massiven Angriffswelle der israelischen Luftwaffe auf den dicht besiedelten Küstenstreifen. In den vergangenen 24 Stunden seien rund 450 Ziele aus der Luft bombardiert worden, teilte die Armee am Montag in der Früh mit. Darunter seien Tunnel, militärische Anlagen sowie Abschussrampen für Panzerabwehrraketen der Hamas gewesen. Zudem hätten die Truppen am Boden einen militärischen Komplex übernommen.
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Beim Einsatz seien "mehrere Hamas-Terroristen" getötet worden, hieß es vom Militär. Das von der Terrororganisation Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium von Gaza berichtete von mehr als 200 Toten bei den nächtlichen Angriffen. Die Toten wurden dabei als "Märtyrer" bezeichnet.
"Krieg zwischen Zivilisation und Barbarei"
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu warf indes dem Iran und seinen Verbündeten vor, die Annäherung Israels an arabische Staaten in der Region gezielt torpedieren zu wollen. Einen Monat nach dem Beginn des Gaza-Kriegs sprach Netanyahu am Montag vor mehr als 100 ausländischen Diplomaten von einem "breiteren Krieg zwischen Zivilisation und Barbarei". Netanyahu sagte: "Die Barbarei wird von einer Achse des Terrors angeführt." An der Spitze stehe Teheran, sie schließe auch die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah, die im Gazastreifen herrschende islamistische Hamas sowie die Houthi-Rebellen im Jemen ein.
Jordanien zog indes eine "rote Linie" im Gaza-Krieg. Versuche, Palästinenser aus dem Gazastreifen oder dem Westjordanland zu vertreiben, oder Bedingungen, das vorzubereiten, werde das Königreich als "Kriegserklärung" betrachten, sagte der jordanische Ministerpräsident Bisher al-Khasawneh laut der staatlichen Nachrichtenagentur Petra am Montag.
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UN: "Krise der Menschheit"
UN-Generalsekretär António Guterres bezeichnete die Situation im Gazastreifen als "Krise der Menschheit". Er forderte erneut eine sofortige Freilassung der nach Gaza verschleppten Geiseln und einen humanitären Waffenstillstand. "Gaza wird zu einem Friedhof für Kinder", sagte Guterres am Montag vor Journalisten in New York. Zuvor hatten mehrere UNO-Organisationen angesichts der hohen Zahl ziviler Opfer und der kritischen Versorgungslage im Gazastreifen eine sofortige Feuerpause gefordert.
Israel hat sich internationalen Aufrufen für eine Waffenpause bisher verweigert. Stattdessen gab es mehrere Feuerpausen, in denen sich die Bewohner des nördlichen Gazastreifens in den Süden bewegen sollten. Auch am Montag wurde ein solches Zeitfenster genannt. Wiederholten Evakuierungsaufrufen sind nach israelischen Militärangaben bereits 700.000 Bewohner des Gazastreifens gefolgt. Die Vereinten Nationen sprechen von 1,4 Millionen Binnenflüchtlingen in dem dicht besiedelten Gebiet.
Medizinische Hilfsgüter auf Gaza abgeworfen
Die israelische Armee teilte zudem mit, dass der Abwurf von medizinischen Hilfsgütern durch ein jordanisches Flugzeug über dem Gazastreifen "in Zusammenarbeit" mit Israel erfolgt sei. Jordaniens König Abdullah II. hatte zuvor mitgeteilt, die jordanische Luftwaffe habe in der Nacht medizinische Hilfsgüter für ein jordanisches Feldkrankenhaus im Gazastreifen abgeworfen. Der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu sagte der libanesischen Zeitung "L'Orient le Jour", dass Paris mit Ägypten über die Errichtung eines Feldlazaretts in der Nähe des Gazastreifens spreche. Die griechische Regierung schickte indes pharmazeutische und humanitäre Hilfsgüter per Flugzeug nach Ägypten, das diese in den Gazastreifen bringen soll.
Auch die EU kündigte eine Intensivierung ihrer humanitären Hilfe an. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte am Montag, die Hilfe werde um 25 Millionen Euro auf insgesamt 100 Millionen Euro erhöht. EU-Chefdiplomat Josep Borrell schlug eine Feuerpause vor, in deren Rahmen das Rote Kreuz auch zu den Geiseln gelangen könne. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) forderte in einem Telefonat mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas die bedingungslose Freilassung aller von den Hamas-Terroristen verschleppten Geiseln und dankte Abbas für seinen diesbezüglichen Einsatz. Unter den Geiseln ist auch ein Österreicher.
USA will humanitäre Hilfe ausweiten
Eine Ausweitung humanitärer Hilfe kündigten auch die USA an. "Wir arbeiten mit Nachdruck daran, mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu bringen, und wir haben sehr konkrete Möglichkeiten, dies zu tun", erklärte US-Außenminister Antony Blinken am Montag nach einem Treffen mit seinem türkischen Amtskollegen Hakan Fidan in Ankara. Dieser forderte eine sofortige Waffenruhe.
Zugleich verstärkten die USA ihre Bemühungen zur militärischen Abschreckung. In einem ungewöhnlichen Schritt gab das US-Militär am Montag bekannt, dass ein atomwaffenfähiges U-Boot im Nahen Osten angekommen sei. Diese Ankündigung wurde von Israel begrüßt.
Messeranschlag auf Polizisten
Während es in der Früh neuerlich Raketenangriffe vom Gazastreifen aus auf Israel gab, kam es in Jerusalem zu einem Messeranschlag auf zwei Polizisten. Der 16-jährige Angreifer sei nach der Messerattacke am Herodestor erschossen worden, teilte die israelische Polizei mit. Eine 20-jährige Beamtin wurde in kritischem Zustand ins Spital gebracht, wo sie später starb. Ein etwa gleichaltriger Mann sei leicht verletzt worden. Die getötete Frau stammte Polizeiangaben zufolge aus den USA.
Hunderte Kämpfer der im Gazastreifen herrschenden Hamas hatten am 7. Oktober Israel überfallen und in mehreren Ortschaften und bei einem Musikfestival wahllos Gräueltaten vor allem an Zivilisten verübt, darunter viele Frauen und Kinder. Nach israelischen Angaben wurden 1.400 Menschen getötet, mehr als 240 weitere wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israel erklärte der Hamas daraufhin den Krieg und nahm den Gazastreifen unter Dauerbeschuss. Dabei wurden nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, 10.022 Menschen getötet, unter ihnen 4.104 Kinder.
(APA/dpa/Reuters/AFP)