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Ukrainischer Außenminister Kuleba fordert in Wien Bekenntnis zur Ukraine

Ukraines Außenminister Kuleba betont bei Wiener Konferenz "Niemand ist Zuschauer" im Krieg
Ukraines Außenminister Kuleba betont bei Wiener Konferenz "Niemand ist Zuschauer" im Krieg ©Photo by JOHN THYS / AFP (Archivbild)
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat bei einer Wiener Expertenkonferenz dazu aufgerufen, sich zum Kampf der Ukraine gegen die russische Aggression zu bekennen. Zudem warnte er vor weiteren Angriffskriegen Russlands.

"Niemand hier ist Zuschauer", sagte der Außenminister der Ukraine Dmytro Kuleba am Freitag in einer Videobotschaft für die Wiener Expertenkonferenz "Time to decide Europe summit" von Erste Stiftung und dem Institut für die Wissenschaft vom Menschen (IWM). Der Krieg sei eine Folge dessen, dass man Warnungen Kiews abgetan habe. "Bitte beginnt, der Ukraine zuzuhören", mahnte er.

Kuleba fordert bei Konferenz in Wien Farbe zu bekennen

Knapp drei Monate nach Beginn des Krieges sprach Kuleba von einem "ukrainischen Wunder", mit dem die Blitzkrieg-Pläne des russischen Machthabers Wladimir Putin durchkreuzt werden konnten. Die Absichten Russlands seien "viel schlimmer gewesen als sich das irgendjemand hätte vorstellen können", sagte er mit Blick auf die von den Invasoren verübten Kriegsverbrechen. "Wir haben keine andere Wahl als zu kämpfen und am Ende zu siegen. Russland will Krieg, keinen Dialog", betonte Kuleba, der sein Land in einem Kampf "David gegen Goliath" sieht.

Wenn Putin in der Ukraine erfolgreich sei, "wird er weitergehen", warnte Kuleba. Daher müssten die Europäer "schwierige Entscheidungen" treffen. Die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine, weitere Sanktionen gegen Russland sowie der EU-Kandidatenstatus für die Ukraine "sind die drei kürzesten Wege zum Frieden", versicherte er.

"Krieg ist ein Moment der Wahrheit, ein Moment, in dem weiß weiß ist und schwarz schwarz", betonte Kuleba. Im aktuellen Krieg gehe es um nichts weniger als um die Frage, wie die künftige Weltordnung aussehen werde, und ob sie auf dem Völkerrecht oder auf dem Faustrecht beruhen werde. "Die Ukraine befindet sich im Zentrum des weltweiten Kampfes für Freiheit", unterstrich der ukrainische Außenminister.

Estlands Ministerpräsidentin warnt vor "schlechtem Frieden" in Ukraine

Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas warnte in einer weiteren Grußbotschaft davor, einem "schlechten Frieden" in der Ukraine zuzustimmen. "Ein schlecht verhandelter Frieden für die Ukraine wäre auch ein schlechter Frieden für uns", sagte sie. Vielmehr müsse dafür gesorgt werden, dass eine ähnliche russische Aggression in der Ukraine oder anderen Ländern ausgeschlossen ist. Dafür brauche es weitere Sanktionen, eine weitere Isolation Russlands und eine Ahndung der russischen Kriegsverbrechen, forderte die liberale Politikerin. "Wir dürfen nicht in Kriegsmüdigkeit verfallen", betonte sie. Mit Blick auf die innereuropäischen Diskussionen über den Umgang mit dem Aggressor plädierte sie dafür, auch auf jene Stimmen zu hören, "die an der Frontlinie liegen" oder schon Erfahrungen mit russischen Überfällen haben.

Van der Bellen betont Bedeutung der europäischen Zusammenarbeit

Bundespräsident Alexander Van der Bellen vermied in seiner Grußbotschaft eine entsprechende Positionierung. Er bezeichnete den Ukraine-Krieg als "humanitäre Krise von unermesslicher Größe", betonte aber zugleich, dass es darüber hinaus noch weitere Herausforderungen wie den Klimawandel, die Umweltverschmutzung oder die Knappheit von Ressourcen gebe. Die europäische Zusammenarbeit sei daher wichtiger denn je, so Van der Bellen.

Wiener Expertenkonferenz diskutiert über Folgen des Ukraine-Kriegs

Experten und Ex-Politiker aus ganz Europa diskutieren bei der eintägigen Konferenz über den Ukraine-Krieg und seine Folgen. Der Migrationsforscher Gerald Knaus forderte, die den ukrainischen Vertriebenen gewährte Personenfreizügigkeit innerhalb der EU jetzt schon dauerhaft zu machen. Dies würde nämlich den Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg unterstützen, weil sich die Ukrainer weiterhin frei zwischen ihrer Heimat und den EU-Staaten bewegen könnten, statt etwa ihre Familien nachholen zu müssen, argumentierte Knaus. "Jetzt, wo die Sympathie für die Ukraine so groß ist, sollten wir das fix machen", betonte Knaus.

Der Enthüllungsjournalist Christo Grozev äußerte skeptisch, was die wirtschaftlichen Aussichten der Ukraine ohne NATO-Mitgliedschaft betrifft. In anderen osteuropäischen Staaten habe sich nämlich gezeigt, dass die NATO-Beitritte ausländischen Investitionen einen Schub verpasst hätten. Für die Ukraine sei das umso wichtiger. "Wenn man den Investoren keine Sicherheitsgarantien gibt, sehe ich keine Hoffnung, dass sie in die Ukraine zurückkehren", sagte Grozev.

Warnung vor Folgen eines langen Krieges in der Ukraine

Der Soziologe Ivan Krastev warnte vor den gesellschaftlichen Folgen eines langgezogenen Krieges für die Ukraine. Wenn etwa Kinder über mehrere Jahre im EU-Ausland leben müssten, wäre dies ein "massiver Verlust für die Ukraine". "In einem Konflikt von geringerer Intensität wird das Humankapital des Landes zerstört", sagte Krastev. Zugleich betonte er, dass man die Ukraine nicht so in die EU integrieren werden können wie andere Länder. Ein EU-Mitglied Ukraine werde auch die Union verändern.

Der frühere nordmazedonische Vizepremier und Außenminister Nikola Dimitrov appellierte an die EU, im Fall der Ukraine "den eigenen Triumph anzunehmen". Dies sei aber noch nicht ausgemacht, sagte er mit Blick auf das Ringen um den EU-Kandidatenstatus für das Land.

Erste Bank Chef Treichl fordert intensiver Zusammenarbeit in Europa

Mit einem eindringlichen Appell für eine stärkere europäische Integration meldete sich am Nachmittag auch der frühere Erste-Chef Andreas Treichl zu Wort. Die EU habe nur dann eine "kleine Chance", als Gewinner aus der Ukraine-Krise hervorzugehen, wenn sie intensiver zusammenarbeite und etwa eine Kapitalunion, eine Pensionsunion oder eine Datenunion gründe. Treichl kritisierte auch, dass im Sicherheitsbereich die NATO "als einzige Lösung" gesehen werde. "Ich bin nicht gegen die NATO, denke aber, dass Europa ein starker Partner der NATO sein sollte, und nicht die Türkei, Griechenland oder Slowenien", forderte Treichl auch eine EU-Verteidigungsunion.

(APA/Red)

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