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Ukraine: Wahlgesetz teils ungültig

Einen Tag vor der Wiederholung der Präsidentschaftsstichwahl in der Ukraine hat das Verfassungsgericht des Landes einen Teil des geänderten Wahlgesetzes für verfassungswidrig erklärt.

Die Regelung, wonach nur Schwerbehinderte zu Hause ihre Stimme abgeben dürfen, sei nicht verfassungsgemäß und damit ungültig, sagte der Vorsitzende Richter Mikola Seliwon am Samstag in Kiew. Auch andere Kranke müssten das Recht haben, zu Hause zu wählen. Wahlkommissionsleiter Jaroslaw Davidowitsch sagte, das Urteil werde umgesetzt. Der Urnengang am Sonntag finde wie geplant statt.

Das Parlament hatte die Gesetzesänderung Anfang Dezember verabschiedet, um das Risiko von Wahlfälschungen zu verringern. Verfassungsrichter Seliwon rügte am Samstag, die Schwerbehinderten-Regelung bedeute eine Ungleichbehandlung von Wählern.

Nach der Gerichtsentscheidung können Wähler, die aus gesundheitlichen Gründen nicht ins Wahllokal gehen können, bis Samstagabend um 20.00 Uhr Ortszeit die örtlichen Wahlbehörden informieren. Ihre Stimmzettel sollen dann am Wahltag von Beamten bei ihnen zu Hause oder im Krankenhaus abgeholt werden. Das Gericht gab damit einer Verfassungsklage des Regierungskandidaten statt, des zurzeit beurlaubten Ministerpräsidenten Viktor Janukowitsch.

Wahlkommissionschef Davidowitsch erklärte, die Gerichtsentscheidung werde umgesetzt. „Die Wahl findet statt, es gibt keine Alternative“, betonte er. Und er versprach einen „absolut ehrlichen und transparenten“ Urnengang. Diesmal werde die Stichwahl von 12.187 Beobachtern verfolgt, gegenüber 5.000 bei der vorangegangenen Stichwahl. Um Betrug zu verhindern, sei nun die Zahl der zugelassenen Dokumente, die als Identitätsnachweis für die Wahl außerhalb des Wohnortes gelten, eingeschränkt worden. Die Auszählungsergebnisse der einzelnen Wahllokale würden unter schärferer Bewachung transportiert. Zwischenergebnisse sollten regelmäßig im Internet veröffentlicht werden.

Eine Sprecherin von Oppositionskandidat Viktor Juschtschenko sagte, die Entscheidung des Verfassungsgerichts stelle die Legitimität der erneuten Stichwahl nicht in Frage. Das Ergebnis des Urnengangs werde dadurch nicht beeinflusst.

Beobachter äußerten hingegen die Vermutung, dass dieser Sieg vor Gericht Janukowitsch bei der Wahl am Sonntag nützen könnte. Von der Entscheidung profitieren schätzungsweise drei Millionen Wahlberechtigte des fast 50 Millionen Einwohner zählenden Landes. Allerdings wurden Befürchtungen laut, dass die Forderung der Richter womöglich nicht überall im Lande rechtzeitig umgesetzt werden könnte. Dies könnte später zu Anfechtungen der Wahl führen.

Als klarer Favorit der Wahl gilt Oppositionsführer Juschtschenko. Nach Massenprotesten der Opposition war die erste Stichwahl am 21. November vom Obersten Gericht wegen Betrugs annulliert worden. Regierungsanhänger seien in Bus-Konvois zur mehrmaligen Abstimmung im Land herumgefahren, hieß es. Auch bei der Abstimmung zu Hause sei Missbrauch an der Tagesordnung gestanden. Damals hatte die Wahlkommission Janukowitsch zum Sieger erklärt.

Der nunmehrige Wahlkampf endete gemäß der Verfassung am Freitagabend mit Abschlusskundgebungen. Juschtschenko ermahnte dabei die Regierungsanhänger, bei der Abstimmung am Sonntag jegliche Gewalt zu vermeiden. Janukowitsch rief in Kiew dazu auf, bei der Wahl „gegen die ausländischen Herren“ zu stimmen. Damit spielte er auf die USA an, die er der Wahlkampf-Finanzierung seines Konkurrenten verdächtigt.

Wer auch immer die Wahl am Sonntag gewinne, müsse die Kraft haben „seinem Gegner die Hand zu reichen“ und mit ihm zusammenzuarbeiten, um die Spaltung innerhalb der ukrainischen Bevölkerung zu überwinden, sagte unterdessen der scheidende Präsident Leonid Kutschma am Freitagabend in einer Fernsehansprache. Kutschma war bei den früheren Wahlrunden offen für Janukowitsch eingetreten.

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