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Ukraine: Armee in höchster Alarmstufe - Waffenruhe ab Freitag möglich

Separatisten nahmen den Flughafen unter Feuer
Separatisten nahmen den Flughafen unter Feuer
Die Einheiten der ukrainischen Armee in der Nähe der Hafenstadt Mariupol sind nach Angaben aus Militärkreisen in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden. Poroschenko hingegen überraschte zu Beginn des NATO-Treffens in Wales mit der Ankündigung einer möglichen Waffenruhe ab Freitag. Die Separatisten verkündeten, sich dieser anschließen zu wollen. Rasmussen indes richtete scharfe Worte in Richtung Moskau. Russland greife die Ukraine an, so der NATO-Generalsekretär.
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Er werde eine Waffenruhe für Freitag ab 13.00 Uhr (Ortszeit, 12.00 Uhr MESZ) anordnen, falls das Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Minsk bestätigt werde, kündigte Poroschenko am Donnerstag am Rande des NATO-Gipfels in Newport an. In der weißrussischen Hauptstadt werden am Freitag Unterhändler der Ukraine, Russlands und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) erwartet.

Separatisten deuten Zustimmung an

Auch die Regierungschefs der selbsterklärten “Volksrepubliken” von Lugansk (Luhansk) und Donezk könnten die Anordnung für die Waffenruhe am Freitag um 15.00 Uhr (Ortszeit, 14.00 MESZ) erteilen. Bedingung sei, dass die Vertreter der Ukraine den von Russland vorgelegten Friedensplan unterzeichneten.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am Mittwoch einen Sieben-Punkte-Plan zur friedlichen Lösung in der Ostukraine vorgestellt. Dieser sieht unter anderem die Entsendung internationaler Beobachter in die umkämpfte Ostukraine vor. Zunächst sollen Separatisten und Regierungstruppen ihre Kämpfe einstellen. Zudem ist darin ein Rückzug der ukrainischen Soldaten vorgesehen.

Mehrere Explosionen in Mariupol

Gleichzeitig waren mehrere Explosionen in der Nähe des Hafens der ostukrainischen Stadt zu hören. Die Führung in Kiew hatte den Separatisten zuvor vorgeworfen, mit Unterstützung aus Russland nahe der Stadt am Asowschen Meer eine zweite Front eröffnet zu haben.

Panzer der Separatisten rücken vor

Ukrainische Soldaten sagten Journalisten der Nachrichtenagentur AFP, sie würden versuchen, einen Angriff gepanzerter Fahrzeuge der prorussischen Rebellen abzuwehren. “Wir leisten Widerstand, doch das ist sehr schwierig mit Gewehren gegen gepanzerte Fahrzeuge”, sagte ein ukrainischer Freiwilliger an einer Straßensperre am Rande der Stadt.

Der Angriff der Separatisten war seit Tagen erwartet worden, nachdem diese mehrere Orte an der Straße zur russischen Grenze erobert hatten. Mariupol liegt am Asowschen Meer rund 50 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Die Separatisten hatten die Hafenstadt im Frühjahr unter ihre Kontrolle gebracht, doch wurde sie Mitte Juni von den Regierungstruppen wieder zurückerobert.

Rasmussen: Russland greift die Ukraine an

Bei dem Gipfel in Wales wurde indes ein harter Ton gegenüber Moskau angeschlagen. “Russland greift die Ukraine an”, kritisierte Rasmussen kurz vor Poroschenkos Äußerungen. “Wir haben es mit einem dramatisch veränderten Sicherheitsumfeld zu tun”, warnte er. Man begrüße zwar alle Bemühungen Russlands für eine friedliche Lösung in der Ukraine, so der scheidende NATO-Chef im Hinblick auf den am gestrigen Mittwoch vom russischen Präsidenten Wladimir Putin präsentierten Sieben-Punkte-Plan. Als Reaktion auf diesen “sogenannten Friedensplan”, müsse er jedoch hinzufügen: “Was zählt, ist was wirklich vor Ort passiert.”

NATO spricht von Destabilisierung der Lage

Rasmussen kritisierte: “Wir beobachten leider immer noch eine russische Beteiligung bei der Destabilisierung der Lage in der Ostukraine.” Die NATO fordere Russland daher weiterhin auf, seine Truppen von der Grenze zur Ukraine abzuziehen, das Einsickern von Waffen und Kämpfern in das Land zu stoppen, die Unterstützung von bewaffneten Separatisten einzustellen und konstruktive politische Bemühungen zu beginnen.

Tausende russische Soldaten in Ostukraine

Wie ein NATO-Offizier am Rande des Gipfels in Wales erklärte, befinden sich derzeit nach Einschätzung des Militärbündnisses mehr als tausend russische Soldaten in der Ostukraine. Weitere etwa 20.000 russische Soldaten seien nahe der Grenze aufmarschiert. Zuletzt hatte die NATO lediglich von deutlich mehr als 1.000 russischen Soldaten gesprochen, die sich in den umkämpften Gebieten im Osten der Ukraine aufhielten.

Allianz gegen Russland

Bei ihrem Treffen in Newport will die Allianz Stärke gegenüber Russland demonstrieren und der Regierung in Kiew Unterstützung signalisieren. Kurz vor Beginn der Gespräche traf der ukrainische Präsident Poroschenko mit US-Präsident Barack Obama, der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Francois Holland und Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi zusammen. Poroschenko sollte über die Lage in der Ostukraine und seinen Gesprächen mit Putin berichten.

NATO will Schlagkraft an Ostgrenze erhöhen

Um die militärische Schlagkraft an der Ostgrenze des Bündnisses zu erhöhen, erwägt die NATO die Schaffung einer Schnellen Eingreiftruppe mit 4.000 Soldaten. Offen ist, ob die 28 Bündnispartner bereit sind, auch Verträge mit Russland aufkündigen. Darüber wird vor allem in den baltischen Staaten und Polen nachgedacht. Diese Staaten fühlen sich durch ein aggressives Russland bedroht und fordern dauerhafte NATO-Stützpunkte in ihren Ländern. Die Lage in der Ukraine habe einen Punkt erreicht, an dem sie sich nicht verteidigen kann, wenn sie nicht wirkliche Hilfe in verschiedenen Bereichen erhält”, bekräftigte der polnische Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak.

Beteiligung Österreichs “kein Thema”

Eine Teilnahme Österreichs an der Schnellen Einsatztruppe der NATO sei “zur Stunde kein Thema”, betonte Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ). Einen Einsatz Österreichs für rotierende Operationen der NATO in Polen oder im Baltikum schloss Klug aus. Schweden und Finnland wollen beim NATO-Gipfel in Wales Abkommen unterzeichnen, die eine engere Zusammenarbeit mit der Schnellen Einsatztruppe der NATO (NRF) zum Ziel haben. Dem Vernehmen nach will Österreich zunächst abwarten, wie sich diese Partnerschaften weiter entwickeln.

Russland kritisiert Ukraine-Annäherung an NATO

Russlands Außenminister Sergej Lawrow kritisierte indes die Pläne einer Annäherung der Ukraine an die NATO. Wer die Neutralität der Ex-Sowjetrepublik infrage stelle, gefährde die Suche nach einer Lösung im Ostukraine-Konflikt, sagte Lawrow der Agentur Interfax zufolge in Moskau. Gleichzeitig warb er noch einmal für ein Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe an diesem Freitag in Minsk, bei dem über eine Feuerpause verhandelt werden soll.

Er hoffe, dass das Gremium aus Ukraine, Separatisten, Russland und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) auch über den Sieben-Punkte-Plan Putins spreche. Aus Kiew kam weitere Ablehnung für Putins Friedensinitiative für die Ostukraine. Die ehemalige Ministerpräsidentin Julia Timoschenko kritisierte, Putin wolle den Konflikt nicht lösen, sondern einfrieren.

Erbitterte Kämpfe trotz Friedensbemühungen

Ungeachtet der Friedensbemühungen starben in der Ostukraine erneut zahlreiche Menschen bei Kämpfen. Die Aufständischen berichteten von Gebietsgewinnen bei einer Offensive nahe der Separatistenhochburg Lugansk. Dabei wurden demnach mindestens 17 Regierungskämpfer getötet.

Bewohnern von Donezk zufolge soll in der Großstadt Artilleriefeuer zu hören gewesen sein. Nahe des Busbahnhofs seien drei Granaten eingeschlagen, hieß es. Die Großstadt sei weitgehend ohne fließendes Wasser, und das Mobilfunknetz sei zusammengebrochen. (APA/red)

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