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Ukraine-Vertriebene: Weiter Streit um Zuverdienstgrenze

Die Zuverdienstgrenze für Flüchtlinge aus der Ukraine sorgt weiter für Diskussionen
Die Zuverdienstgrenze für Flüchtlinge aus der Ukraine sorgt weiter für Diskussionen ©REUTERS/Gleb Garanich
Die Anhebung der Zuverdienstgrenze für Ukraine-Vertriebene sorgt weiter für Streit. Während ein Gutachten des Innenministeriums dies für möglich hält, zweifelt Verfassungsrechtler Heinz Mayer.

Das Innenministerium fühlt sich im Streit um eine Anhebung der Zuverdienstgrenze für Ukraine-Vertriebene durch ein Gutachten bestätigt, dass man hier großzügigere Regelungen für diese Personengruppe einziehen kann, als sie für andere Flüchtlinge in der Grundversorgung gelten. Verfassungsrechtler Heinz Mayer hatte das davor angezweifelt. Auch die Grünen hätten gerne eine großzügigere Regelung.

Zuverdienstgrenze für Ukraine-Vertriebene soll auf Geringfügigkeitsgrenze angehoben werden

Hintergrund der jetzt seit Wochen schwelenden Diskussion ist, dass die Regierung und acht Bundesländer die Zuverdienst-Möglichkeit für die Vertriebenen aus der Ukraine von 110 Euro plus maximal 80 Euro pro Familienmitglied auf die Geringfügigkeitsgrenze von 485 Euro anheben wollen. Kärnten lehnt dies u.a. aus rechtlichen Gründen ab, weil das von der SPÖ geführte Bundesland meint, dass die Anhebung dann auch für alle anderen Asylwerber in der Grundversorgung gelten müsste.

Am Dienstag rückte dann wieder der Verfassungsrechtler Heinz Mayer im Ö1-"Mittagsjournal" aus, um seine Meinung kundzutun, wonach Ukrainer und Afghanen nicht unterschiedlich behandelt werden dürften, ohne dass es einen sachlichen Grund dafür gebe: "Der Krieg alleine ist es sicher nicht, sondern es ist die Frage der Bedürftigkeit hier im Inland."

Innenministerium fühlt sich durch Rechtsgutachten bestätigt

Dem hält das Innenministerium nun ein der APA vorliegendes Gutachten entgegen, das von Andreas Wimmer vom Institut für Verwaltungsrecht an der Linzer Uni und Katharina Pabel, Europarechtlerin an der Wirtschaftsuniversität verfasst wurde. Sie kommen zum Ergebnis, dass zwischen den aus der Ukraine Vertriebenen und sonstigen Zielgruppen der Grundversorgung "wesentliche Unterschiede im Tatsächlichen bestehen, die eine unterschiedliche rechtliche Regelung der Versorgungsleistungen sachlich rechtfertigen können". Eine differenzierte Festlegung von Einkommensgrenzen und Einkommensfreibeträgen erscheine "sachlich gerechtfertigt".

Argumentiert wird damit, dass sich die Situation für die Vertriebenen schon daher von den anderen Gruppen unterscheide, als sie bereits zum Zeitpunkt des Betretens des Bundesgebiets ex lege ein befristetes Aufenthaltsrecht und Zugang zum Arbeitsmarkt erwerben. Weiters habe das befristete Aufenthaltsrecht für Vertriebene einen ausgeprägten "Provisorialcharakter", wird als weiteres Argument angeführt.

Schon der im Kanzleramt beheimatete Verfassungsdienst hatte sich tendenziell der rechtlichen Position des Innenministerium angeschlossen. In dessen Stellungnahme hieß es, dass zwischen den Gruppen Unterschiede "im ausreichenden Maße" vorliegen müssten, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigten. Ob derartige Unterschiede im Hinblick auf die in Aussicht genommene Differenzierung vorlägen, sei vorrangig vom zuständigen Fachressort zu beurteilen: "Das Bundesministerium für Inneres führt taugliche Argumente für die vorgeschlagene Abgrenzung ins Treffen."

Grüne hätten gerne großzügigere Lösung für Ukraine-Vertriebene

Würde es nach dem Koalitionspartner der ÖVP gehen, könnte man freilich durchaus großzügiger vorgehen. Grünen-Mandatar Georg Bürstmayr meinte am Dienstag in Ö1: "Es wäre an sich gescheit, das für alle gelten zu lassen, weil das den bürokratischen Aufwand extrem reduziert, weil das Spannungen innerhalb der Gruppe der Geflüchteten reduziert." Wenn man hier aber auf eine politische Einigung warte, sei man im Herbst noch nicht fertig - "und das können wir uns nicht leisten". Ob die anderen Bundesländer die geplante Regelung ohne Kärnten umsetzen könnten, ist auch nicht unstrittig. Noch versucht man jedenfalls eine gemeinsame Vorgangsweise zu finden.

SOS-Kinderdorf fordert Gesetzesänderung

Wenn Ukrainer und Ukrainerinnen Ansprüche riskieren, nur weil sie arbeiten gehen, steigere das nicht ihre Arbeitsmoral, sagte die SOS-Kinderdorf Kinderrechtsexpertin Birgit Schatz im Ö1-"Morgenjournal" am Mittwoch. Eine Erwerbsarbeit würde in den meisten Fällen heißen, die Grundversorgung in Höhe von 250 Euro pro Erwachsenem und 100 Euro pro Kind zu verlieren. Eine Gesetzesänderung zu Gunsten der temporär Schutzbedürftigen sei noch vor der Sommerpause des Parlaments notwendig. Wer arbeite, solle auch Familienbeihilfe beziehen können.

Familienministerin Raab will Gesetzeslücke schließen

Dass arbeitende Ukrainerinnen und Ukrainer keine Familienbeihilfe beziehen können, sei eine Gesetzeslücke, die rasch geschlossen werden müsse, sagte Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) im Ö1-"Mittagsjournal" am Mittwoch. Derzeit bekommen Vertriebene keine Familienbeihilfe, obwohl die Arbeitgeber dieselben Sozialabgaben bezahlen. "Wer arbeitet, soll auch Familienleistungen beziehen können. Das ist nur rechtens und richtig", so die Ministerin. Ein entsprechender Gesetzesentwurf sei bereits an den grünen Koalitionspartner übermittelt worden. Auf einen Zeitpunkt, wann es soweit sein soll, wollte sich Raab nicht festlegen. Die Änderung sei aber eine "rein technische" und bereits auf Schiene. Wichtig sei neben der Familienbeihilfe vor allem der Ausbau der Kinderbetreuung und Kinderbetreuungsgeld, damit Müttern der Schritt in den Arbeitsmarkt erleichtert werde, betonte Raab.

Angesichts der Klagen von Helfern und Flüchtlingen über Probleme in der Versorgung hat Flüchtlingskoordinator Michael Takács für morgen, Donnerstag, Vertreter von Bundesländern, NGOs und beteiligten Bundesorganisationen ins Bundeskanzleramt eingeladen. Dort sollen "Ablauffehler" und "offene Probleme" besprochen werden, sagte er zur "Presse". Um 14 Uhr wird Takacs in einem Hintergrundgespräch über die "aktuellen Entwicklungen" informieren.

(APA/Red)

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