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Ukraine: Putin warnt vor Einmischung

Der russische Präsident Wladimir Putin hat die internationale Gemeinschaft vor Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl gewarnt.

„Es ist nicht unser Recht, in welcher Art auch immer in den Wahlprozess einzugreifen oder unsere Meinung aufzudrängen“, sagte Putin am Donnerstag beim EU-Russland-Gipfel in Den Haag. Die rechtmäßige Anerkennung des Wahlergebnisses sei ein Sache, die von der ukrainischen Bevölkerung entschieden werden müsse. Putin betonte, der Streit um den Ausgang der Präsidentschaftswahlen müsse im Rahmen der ukranischen Verfassung und von den ukrainischen Gerichten gelöst werden.

Der niederländische Ministerpräsident und EU-Ratsvorsitzende Jan Peter Balkenende bekräftigte die Kritik der EU am Verlauf der Wahlen, deren Ergebnis er als nicht akzeptabel bezeichnete. „Die Wahlen haben nicht internationalen Standards entsprochen.“ Balkenende verwehrte sich gegen die Einschätzung, dass die EU sich in die internen Angelegenheiten der EU einmische. Präsident Leonid Kutschma habe selbst der Überwachung der Wahlen durch internationale Beobachter zugestimmt, sagte Balkenende.

Russischer Präsident warnt vor „Massenchaos“ in Ukraine

Putin warnte vor einem „Massenchaos“ in der Ukraine im Zuge der Oppositionsproteste. „Wir haben kein moralisches Recht, ein großes europäisches Land in ein Massenchaos zu stürzen. Wir dürfen es uns nicht zur Angewohnheit in internationalen Zusammenleben machen, solche Konflikte durch Chaos auf der Straße lösen zu wollen“, betonte er in der gemeinsamen Pressekonferenz mit den EU-Spitzen.

Die ukrainische Opposition von Spitzenkandidat Viktor Juschtschenko habe alle Dokumente in der Endphase der Stimmenauszählung gesehen, betonte Putin. Auf dieser Grundlage habe die ukrainische Wahlkommission den Sieg des Regierungskandidaten Viktor Janukowitsch festgestellt. Die Opposition sei auch in die Ausarbeitung des Wahlgesetzes involviert gewesen, betonte der russische Staatschef.

Die EU und Russland haben bei ihrem Gipfeltreffen in Den Haag keine abschließende Einigung bei der Zusammenarbeit in mehreren Bereichen erzielt. Das Paket, das die verstärkte Kooperation in „vier Räumen“ (Wirtschaft, Justiz, äußere Sicherheit und Bildung/Kultur), soll beim nächsten EU-Russland-Gipfel im Mai in Moskau beschlossen werden, sagte der niederländische Ministerpräsident und EU-Ratsvorsitzende Jan Peter Balkenende. Es habe Fortschritte gegeben, „es bleibt aber noch viel zu tun“, betonte er.

Die Verhandlungen stocken insbesondere bei Visafragen, wo Russland Erleichterungen für seine Staatsbürger durchsetzen will. Die EU knüpft dies an den Abschluss eines Rückführungsabkommens für illegale Einwanderer. Keine Einigung wurde auch im Streit um die Flüge europäischer Fluggesellschaften über Sibirien erzielt. Die EU fordert eine Reduktion der hohen Gebühren für Überflugsrechte.

Ukraine-Wahlfarce führt zum offenen Streit zwischen Russland und EU

Der umstrittene Wahlsieg des pro-russischen Regierungskandidaten Viktor Janukowitsch hat nun zum offenen Streit zwischen der EU und Russland geführt. Anstelle der üblichen diplomatischen Floskeln kam es bei der gemeinsamen Pressekonferenz des EU-Russland-Gipfels in Den Haag am Donnerstag zum offenen Schlagabtausch. Der russische Präsident Wladimir Putin warnte die EU unverhohlen vor „Einmischung in die internen Angelegenheiten“ des „Bruderstaates“.

Für die Europäische Union machte der niederländische Regierungschef Jan Peter Balkenende unmissverständlich klar, dass „das Ergebnis nicht internationalen Standards entspricht“ und die Union daher den Sieg des Kreml-Getreuen Janukowitsch „nicht akzeptieren“ könne. Damit vollzieht die EU der Linie der USA, die sich schon am Mittwoch aufgrund zahlreichen Berichte über Wahlfälschungen veranlasst sahen, den offiziell mit 49 Prozent der Stimmen ins Präsidentenamt gewählten Janukowitsch nicht anzuerkennen. Putin konterte mit scharfen Worten: „Wir haben kein moralisches Recht, ein großes europäisches Land in ein Massenchaos zu stürzen.“

Das Treffen der EU-Spitzen stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Putin ersuchte die EU vor drei Wochen um Verschiebung des Gipfels. Offiziell hieß es, der spätere Termin sollte dem russischen Präsidenten Gelegenheit geben, mit dem neuen Kommissionspräsidenten Jose Manuel Barroso anstatt mit seinem Vorgänger Romano Prodi zusammentreffen, der damals wegen des verspäteten Amtsantritts der Kommission noch die Geschäfte führte.

Doch in diplomatischen Kreisen hieß es, die Verschiebung sei wohl auch auf die zahlreichen Schwierigkeiten bei der Kooperationspolitik mit der EU zurückzuführen. Am Donnerstag setzte Putin einen weiteren diplomatischen Affront. Ausgerechnet zum Beginn des Gipfeltreffens in Den Haag veröffentlichte der Kreml die Glückwünsche Putins für den umstrittenen Wahlsieger Janukowitsch.

Hinter dem Konflikt steht die grundsätzliche Frage nach einer stärkeren Ausrichtung der Ukraine in Richtung Westen, die vom Kreml mit Argwohn verfolgt wird. Wirtschaftlich ist die ehemalige Sowjet-Republik stark von Moskau abhängig, da die Ukraine im Gegensatz zum „großen Bruder“ über keine wesentlichen Erdöl- und Erdgas-Vorkommen verfügt. Wohl aber laufen zahlreiche Pipelines durch die Ukraine in den Westen. Nachdem Moskau mit der Erweiterung der EU und NATO die Kontrolle über den Großteil seines früheren Einflussbereiches verloren hat, ist der Kreml offenbar nicht gewillt, auch eine Annäherung Kiews an den Westen einfach hinzunehmen.

Die neue österreichische EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner steht gleich zu Beginn ihrer Amtszeit vor der Herausforderung, eine überzeugende Antwort der EU auf das Problem Ukraine zu formulieren. Die im Prinzip bereits beschlossenen Aktionspläne für die europäische Nachbarschaftspolitik müssen in den nächsten Tagen vom Kommissarskollegium abgesegnet werden. War bisher Israel wegen der Nahost-Politik das „Problemkind“ in der Nachbarschaftspolitik, so ist es nunmehr die Ukraine. Ferrero-Waldner ließ ebenso wie ihr Chef Jose Manuel Barroso am Donnerstag offen, wie die angedrohten „Konsequenzen“ für die Beziehungen der EU zu Kiew konkret aussehen werden.

Doch auch in bilateralen Streitfragen bewegt sich wenig zwischen der EU und Russland. Vor allem die neuen Mitglieder in Osteuropa drängen auf eine härtere Linie gegenüber Russland, nachdem sich Moskau in wesentlichen Fragen nicht bewegt hat.

Ungelöst ist der Streit um Visa-Erleichterungen, die Putin daheim als Erfolg verkaufen will. Die EU verlangt vorher die Zusicherung Moskaus, illegale Einwanderer zurückzunehmen. Nach wie vor beklagen sich die Europäer auch über die hohen Überflugsgebühren für ihre Luftgesellschaften, die sibirischen Luftraum durchqueren müssen. Und dann bleibt noch der Streit um den Krieg im Tschetschenien, der diesmal völlig von der Ukraine-Wahl überlagert wurde und in der gemeinsamen Erklärung mit keinem Wort erwähnt wird. „Sie haben auch eine weite Bandbreite internationaler Angelgenheiten diskutiert und einen Meinungsaustausch über die aktuellen Entwicklungen in der Ukraine geführt“, heißt es in dem Dokument lakonisch.

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