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Ukraine-Krise: Reichster Oligarch ruft zum Protest gegen Separatisten auf

Reichster Ukraine übt harsche Kritik an Separatisten in Ostukraine - Zehntausende folgten Protest-Aufruf
Reichster Ukraine übt harsche Kritik an Separatisten in Ostukraine - Zehntausende folgten Protest-Aufruf ©AP, EPA
Lange haben die Oligarchen in der Ostukraine dem Treiben der Separatisten zugesehen. In der Nacht auf Dienstag rief der reichste Mann des Landes zur Gegenwehr - und Zehntausende folgten. Wladimir Putin sucht unterdessen in Shanghai den Schulterschluss mit China.

Der Druck auf die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine wächst. Mit Warnstreiks und Hupkonzerten forderten am Dienstag Zehntausende Bürger ein Ende der Gewalt in der Region, die seit Wochen von Kämpfen erschüttert wird. Sie folgten damit einem Aufruf des Oligarchen Rinat Achmetow.

Achmetow bietet Ukraine-Separatisten die Stirn

Auf dem Maidan in Kiew ist der Oligarch Rinat Achmetow eine Persona non grata, im Osten der Ukraine dagegen womöglich die letzte Hoffnung im Kampf gegen die Separatisten – und der eigentliche starke Mann: Rinat Achmetow, der reichste Oligarch des Landes und Herr über ein riesiges Geschäftsimperium in der Region. Derzeit tritt er vor allem als “Friedensstifter” auf.

“Die Menschen sind es leid, in Angst zu leben”

In einer aufsehenerregenden Videobotschaft hatte der reichste Ukrainer, Rinat Achmetow, in der Nacht auf Dienstag zum friedlichen Protest gegen die prorussischen Separatisten und die Arbeiter seiner Fabriken im Osten zu einem Warnstreik aufgerufen. “In den Städten herrschen Banditen und Marodeure. Die Menschen sind es leid, in Angst zu leben”, sagte der Oligarch in dem Clip:

“Völkermord”: Scharfe Kritik an Rebellen in Donezk

Zudem hatte er erstmal die Rebellen in Donezk scharf kritisiert: Geiselnahmen, Plünderungen und das Aufmarschieren mit Waffen dienten der Region nicht, erklärte er. “Mit Maschinenpistolen durch die Städte des Donbass zu laufen – sollen so die Rechte der Donezker vor der Zentralregierung gewahrt werden?” Das Vorgehen der Separatisten sei ein Kampf gegen die Bürger. “Das ist ein Völkermord am Donbass.” Donbass ist die russische Bezeichnung für das Kohle- und Industriegebiet im Donezbecken.

Mit seiner Erklärung unterstrich Achmetow, dass er offensichtlich die Bemühungen der Übergangsregierung unterstützt, die Lage in der Ukraine zu stabilisieren. Anfang Mai hatte er dies bereits signalisiert, als seine Firma Metinvest Bergleute und Metallarbeiter in die Hafenstadt Mariupol schickte, um der Polizei dort bei Straßenpatrouillen zur Hand zu gehen. Allerdings hatte er es bisher vermieden, das gewaltsame Vorgehen der Aufständischen zu verurteilen.

Separatisten: Entscheidung “für den Terror”

Die moskautreuen Aktivisten kommentierten den Aufruf mit Schärfe. “Achmetow hat seine Wahl getroffen, leider richtet sie sich gegen die Bevölkerung im Donbass”, sagte Separatistenführer Denis Puschilin. Der Oligarch habe sich “für den Terror” gegen das Volk entschieden.

Hintergrund: Achmetow zieht im Donbass die Fäden

Mit Kohle und Stahl ist Rinat Achmetow zum reichsten Mann der Ukraine geworden. Inzwischen besitzt der aus einer tatarischen Bergarbeiterfamilie stammende Oligarch über seine Holding System Capital Management mehr als 100 Firmen, darunter Fernsehsender und Telekommunikationsunternehmen. Im industriell geprägten Donez-Becken, dem Donbass, zieht der 47-Jährige als Graue Eminenz die Fäden.

Die Ursprünge seines Startkapitals legte der verheiratete Vater zweier Söhne allerdings nie offen. Eng verbunden ist Achmetows Aufstieg mit dem politischen Erfolg des inzwischen gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch, der ebenfalls aus dem Gebiet Donezk stammt. So gilt der Unternehmer als Hauptfinanzier von dessen Partei der Regionen, für die er jahrelang im Parlament saß. Während Janukowitschs Amtszeit von 2010 bis 2014 verdreifachte sich Achmetows Vermögen nach Schätzungen des Magazins “Forbes” auf mehr als 15 Milliarden US-Dollar (knapp 11 Milliarden Euro).

Der am 21. September 1966 in Donezk geborene Achmetow arbeitete zunächst als Sicherheitschef für den mächtigen Geschäftsmann Achat Bragin. Nachdem Bragin im Oktober 1995 bei einem Bombenattentat getötet worden war, übernahm der Ökonom Stück für Stück die Macht.

International erregte der bekennende Muslim Aufsehen mit dem Erwerb des teuersten Penthouses im prestigereichen Londoner Luxuskomplex One Hyde Park für etwa 221 Millionen Dollar (161 Millionen Euro). Doch stets beteuert der unscheinbar wirkende Mann, sein Hauptwohnsitz sei weiterhin Donezk.

Der örtliche Fußballverein Schachtjor Donezk hat es mit seinem Geld zu einem der besten Clubs in Osteuropa gebracht. Das von Achmetow finanzierte Stadion gehört zu den modernsten Europas und war auch ein Austragungsort der Fußball-Europameisterschaft 2012.

Putin sucht Nähe zu China

Vor dem Hintergrund der Krise baute Russland unterdessen seine Partnerschaft mit China aus. Präsident Wladimir Putin traf am Dienstag zum Auftakt seines Staatsbesuches in Shanghai mit Staats- und Parteichef Xi Jinping zusammen. Die beiden Großmächte wollen nicht nur militärisch, sondern auch bei der Energieversorgung enger zusammenarbeiten. Ein Durchbruch in den Verhandlungen über ein neues Gasabkommen stand zunächst aber noch aus. Damit könnte sich Russland unabhängiger von europäischen Gaskunden machen.Moskau und Peking forderten alle politischen Gruppen in der Ukraine zu Gesprächen auf. In einer gemeinsamen Erklärung plädierten beide Seiten für eine Deeskalation. In einem landesweiten Dialog solle ein Konzept für die Entwicklung einer Verfassung erarbeitet werden, zitierte die Nachrichtenagentur Itar-Tass aus dem Dokument.

Ukraine wählt am Sonntag neuen Präsidenten

In der Ukraine soll am Sonntag ein neuer Präsident gewählt werden. Im umkämpften Osten des Landes konnten die Vorbereitungen jedoch vielerorts noch nicht beginnen. An diesem Mittwoch soll ein dritter Runder Tisch zur Lösung der Krise stattfinden. Die Regierung in Kiew hat bereits eingeräumt, dass in weiten Teilen von Donezk und Lugansk keine Abstimmung möglich sein wird.

Separatisten wollen Wahlergebnis nicht anerkennen

Separatistenführer hatten am Montag angekündigt, die Ergebnisse der Wahl nicht anzuerkennen. Zugleich beschworen sie die Bevölkerung, endlich zu den Waffen zu greifen. “Ich hätte nie gedacht, dass sich in der ganzen Region nicht einmal 1000 Männer finden, die bereit sind, ihr Leben zu riskieren”, sagte der “Verteidigungsminister” der selbst ernannten “Volksrepublik Donezk”, Igor Strelkow, in einem Video.

“Anti-Terror-Operation” in der Ostukraine

Im Osten des Landes setzte die Kiewer Führung ihre “Anti-Terror-Operation” auch am Dienstag fort. Bei einem Schusswechsel nahe der Separatisten-Hochburg Slawjansk seien mindestens vier Soldaten leicht verletzt worden, teilte das Verteidigungsministerium in Kiew mit. Zudem sei die Sicherung der Ostgrenze mit Russland um das zehnfache erhöht worden, um “Extremisten, Waffen, Schmuggel” und Destabilisierungsversuche zu verhindern, sagte Serhiy Astakhov von der staatlichen Grenzkontrolle.

Putin ordnet Truppenabzug an Grenze zur Ukraine an

Am Montag hatte Putin einmal mehr einen Truppenabzug von der russisch-ukrainischen Grenze angeordnet. Am Dienstag erklärte das russische Verteidigungsministerium, die Einheiten hätten ihre geplanten Manöver abgeschlossen, der Abzug erfolge in Etappen und per Zug. Die NATO hatte aber auch am Dienstag zunächst keine Hinweise auf einen Truppenrückzug. Es habe bisher auf Satellitenbildern “keinerlei Bewegung” gegeben, hieß es in Brüssel. Die NATO hat die Zahl russischer Soldaten im Grenzbereich bisher auf 35 000 bis 40 000 beziffert.

Kiew erhält erste Tranche an EU-Geldern

Die EU-Kommission überwies am Dienstag 100 Millionen Euro an die Ukraine. Das Geld ist nach Angaben der Kommission in Brüssel der erste Teil einer Budgethilfe in Höhe von insgesamt 1,6 Milliarden Euro. Eine zweite Tranche von 500 Millionen Euro werde “in den nächsten Wochen” überwiesen, sobald eine Absichtserklärung über die Verwendung des Geldes vom Parlament in Kiew beschlossen worden sei.

(APA/red)

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