Im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew ist es am Montag zu schweren Explosionen gekommen. Es habe mehrere Einschläge gegeben, teilte Bürgermeister Witali Klitschko auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit. Auch aus dem Westen und dem Zentrum der Ukraine wurden Explosionen gemeldet. Insgesamt zählte die Ukraine 83 Raketen. Russland versuche, die Ukraine zu zerstören, teilte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit.
Russland: Raketenangriffe Reaktion
Der russische Präsident Wladimir Putin dagegen bezeichnete die Raketenangriffe als Reaktion auf die "Terroranschläge" gegen russisches Gebiet. Konkret warf Putin dem ukrainischen Geheimdienst SBU vor, am vergangenen Samstag einen "Terroranschlag" auf die russische Krim-Brücke zur annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim organisiert zu haben. Es seien Objekte der Energieinfrastruktur, der militärischen Steuerung und des Fernmeldewesen mit Hochpräzisionswaffen beschossen worden, sagte Putin am Montag bei einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrates.
Russland töte "unsere Leute, die zu Hause in Saporischschja schlafen. Sie töten Menschen, die in Dnipro und Kiew zur Arbeit gehen", sagte dagegen Präsident Selenskyj. Die Energieinfrastruktur der Ukraine sei ins Visier genommen worden, betonte Selenskyj in einer Videobotschaft, die ihn vor seinem Präsidialamt in Kiew zeigt. "Das zweite Ziel sind die Menschen. Dieser Zeitpunkt und diese Ziele wurden speziell ausgewählt, um so viel Schaden wie möglich anzurichten", warft er der russischen Führung vor. Selenskyj kündigte eine Sondersitzung der sieben führenden Industrienationen (G7) für Dienstag an.
Beschädigung in Kiew
Elf wichtige Infrastruktureinrichtungen in Kiew und acht Regionen sind nach Angaben der Regierung beschädigt worden. "Einige Gebiete sind nun von der Außenwelt abgeschnitten. Man muss sich auf zeitweilige Unterbrechungen von Licht, Wasserversorgung und Kommunikation einstellen", teilte Ministerpräsident Denys Schmyhal über den Kurznachrichtendienst Telegram mit.
Die Ukraine schwor Rache für die russischen Raketenangriffe. "Es gibt Opfer unter den Menschen und Zerstörung", erklärte das ukrainische Verteidigungsministerium auf seiner Facebook-Seite. "Der Feind wird für den Schmerz und den Tod bestraft, der über unser Land gebracht wurde! Wir werden unsere Rache bekommen!" Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba bezeichnete Putin als "einen Terroristen, dessen Sprache Raketen sind".
Klitschko: Kiew "wird von den russischen Terroristen angegriffen"
"Die Hauptstadt wird von den russischen Terroristen angegriffen", schrieb Klitschko in sozialen Medien. Die Angriffe konzentrierten sich demnach auf die Innenstadt sowie den Stadtteil Solomjanskyj, Luftsirenen ertönten, die Menschen brachten sich soweit wie möglich in Schutzkellern in Sicherheit. Rauchwolken waren über der Stadt zu sehen. An einem Verkehrsknotenpunkt standen zerbombte Autos. "Die Hauptstraßen von Kiew sind von Sicherheitskräften gesperrt worden, die Rettungskräfte sind im Einsatz", schrieb Klitschko. Es gab mindestens fünf Tote und zwölf Verletzte. "Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Tod von fünf und die Verletzung von zwölf Kiewern bestätigt", teilte der Berater des Innenministeriums, Anton Geraschtschenko, am Montag auf seinem Telegram-Kanal mit. Es sei auch ein Kinderspielplatz getroffen worden. Nach mehr als fünfeinhalb Stunden wurde der Luftalarm aufgehoben.
Luftalarm in Ukraine
In fast allen Landesteilen der Ukraine hatte es Luftalarm gegeben. "Ein massiver Raketenangriff auf das Gebiet, es gibt Tote und Verletzte", teilte der Militärgouverneur der Region Dnipropetrowsk um die Industriestadt Dnipro, Walentyn Resnitschenko, am Montag auf seinem Telegram-Kanal mit. Über Einschläge berichten auch die Behörden von Lwiw, Chmelnyzkyj, Ternopil und Schytomyr. Die westukrainische Großstadt Lwiw (Lemberg) ist nach Angaben von Bürgermeister Andrij Sadowyj nun ohne Energie. "Wegen des fehlenden Stroms wurde der Betrieb des städtischen Heizkraftwerks vorübergehend eingestellt", teilte Sadowyj am Montag bei Telegram mit. Es gebe daher kein heißes Wasser.
Auch in der ostukrainischen Metropole Charkiw kam es teilweise zu Stromausfall. Es habe am Morgen drei Attacken aus der Luft gegeben, teilte Bürgermeister Ihor Terechow am Montag im Nachrichtenkanal Telegram mit. Ein Ziel sei die Energieinfrastruktur gewesen. "In einigen Teilen der Stadt ist der Strom weg, es gibt keine Wasserversorgung", erklärte Terechow. Vier Tote gab es Behördenangaben zufolge durch einen Raketenangriff in der ostukrainischen Großstadt Slawjansk im Gebiet Donezk. Der Einschlag sei im Stadtzentrum erfolgt, teilte Bürgermeister Wadym Ljach mit. In mehreren Stadtteilen ist der Strom ausgefallen.
Beschuss von Saporischschja in Ukraine
Die ukrainische Stadt Saporischschja, in deren Nähe Europas größtes Atomkraftwerk liegt, wurde in der Nacht erneut von Raketen beschossen. "Infolge eines Raketenangriffs im Zentrum von Saporischschja wurde erneut ein mehrstöckiges Wohnhaus zerstört", schrieb der Gouverneur der Region, Oleksandr Staruchin, in der Messaging-App Telegram. "Es gibt Verletzte." Auch in der russischen Region Belgorod an der Grenze zur Ukraine gab es am Montagmorgen Zeugen zufolge eine Explosion. Es sei ein lauter Knall zu hören gewesen, und die Fenster hätten gewackelt, sagte ein Augenzeuge.
Zuvor hatte der Vizechef des russischen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, der Ukraine Vergeltung für die Explosionen auf der für Russland strategisch wichtigen Krim-Brücke angedroht. Putin hatte am Sonntag von einem "Terroranschlag" auf die Brücke gesprochen und den ukrainischen Geheimdienst SBU verantwortlich gemacht. Bestätigt hatte der SBU eine Beteiligung aber nicht. Die SBU-Zentrale liegt im Stadtzentrum in Kiew.
Explosion erschütterte Krim-Brücke
Am Samstag hatte eine Explosion die 19 Kilometer lange Brücke erschüttert, die Russland und die 2014 von Moskau annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim verbindet. Dabei wurde rund siebeneinhalb Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine das für Russland strategisch und symbolisch wichtige Bauwerk schwer beschädigt. Offiziellen Angaben aus Moskau zufolge starben drei Menschen.
International wurden die russischen Raketenangriffe scharf kritisiert. Der britische Außenminister James Cleverly bezeichnete diese als inakzeptabel. "Dies ist eine Demonstration der Schwäche von Putin, nicht der Stärke", schrieb Cleverly auf Twitter. EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola betonte am Montag, die Geschehnisse zeigten der Welt einmal mehr, mit was für einer Führung man es in Moskau zu tun habe. Diese lasse Terror und Tod auf Kinder herabregnen. "Das ist kriminell." Ein Sprecher des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS) beurteilte die Attacken als Kriegsverbrechen. China rief zu Deeskalation auf. "`Wir hoffen, dass sich die Lage bald deeskaliert", sagte Außenamtssprecherin Mao Ning in Peking.
"Beschuss von ziviler Infrastruktur in Kiew und anderen Städten der Ukraine abscheulich"
Kritik kam auch aus Österreich. "Der russische Beschuss von ziviler Infrastruktur in Kiew und anderen Städten der Ukraine ist abscheulich und feig. Diese Attacken müssen sofort aufhören", schrieb Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Montagvormittag auf Twitter. Der Kreml wies dies umgehend zurück: Österreich habe "wohl kaum das Recht", von Russland zu verlangen, den Raketenbeschuss der Ukraine zu beenden, erklärte Putins Sprecher Dmitri Peskow.
(APA/Red)