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Ukraine: Juschtschenko gewinnt Wahl

Der Oppositionskandidat Viktor Juschtschenko hat die Stichwahl um das Präsidentenamt in der Ukraine vom Sonntag gewonnen. Dies geht aus dem am Dienstag von der Zentralen Wahlkommission veröffentlichten Endergebnis hervor.   

Nach Auszählung von 100 Prozent der Stimmen kam Juschtschenko auf 51,99 Prozent. Sein Kontrahent, der beurlaubte Ministerpräsident Viktor Janukowitsch erzielte 44,19 Prozent. Juschtschenko lag mit etwa 2,3 Millionen Stimmen in Führung. Janukowitsch hatte am Montagabend gesagt, er werde das Ergebnis wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten „niemals“ akzeptieren.

Ein offizielles Endergebnis der Stichwahl in der Ukraine könne am kommenden Montag festgestellt werden, falls es keine Wahlbeschwerden oder Wahlanfechtungen vor dem Obersten Gerichtshof gebe, sagte das Wahlleitungsmitglied Andrej Magera.

Vertreter von Janukowitsch hatten die Wahlleitung kurz zuvor aufgefordert, kein Endergebnis zu verkünden. Ihrer Auffassung nach könne der Wählerwille wegen Manipulationen nicht eindeutig festgestellt werden. Sollte die Wahlkommission doch ein Ergebnis verkünden, werde eine Klage beim Obersten Gericht eingereicht, drohte der abgeordnete Nestor Schufritsch.

Internationale Wahlbeobachter haben dagegen erklärt, die Wahl sei weitgehend korrekt verlaufen. Nach ukrainischem Recht kann der Sieger erst dann offiziell verkündet werden, wenn alle Einsprüche gegen die Wahl geklärt sind.

Das Lager von Janukowitsch stellte Klagen gegen das Ergebnis in Aussicht. Internationale Wahlbeobachter sprachen von einem fairen Verlauf der neuerlichen Stichwahl.

„Es ist vollbracht“, sagte Juschtschenko bereits in der Nacht zum Montag vor rund 50.000 Anhängern auf dem Platz der Unabhängigkeit in der Hauptstadt Kiew. „Rund 14 Jahre waren wir unabhängig, nun sind wir frei.“ Eine neue „politische Ära“ habe begonnen, die Zeit der „Missachtung, Zensur, Lügen und Gewalt“ gehöre der Vergangenheit an. Das Ergebnis der wiederholten Stichwahl bezeichnete Juschtschenko als „politischen Sieg“. Die ukrainische Nation habe gegenüber einem der „womöglich zynischsten Regimes in ganz Osteuropa“ Stärke bewiesen. Nun gelte es, die „errungene Freiheit zu festigen“: Die Zukunft der Ukraine hänge nicht von Russland, Polen, den USA oder Europa ab, sondern „allein von uns“.

Allerdings konnte der deutliche Sieg Juschtschenkos nicht darüber hinweg täuschen, dass die Ukraine ein tief gespaltenes Land ist. Während Juschtschenko im Westen und Zentrum des Landes klar gewann, fuhr Janukowitsch in seinen Hochburgen in der von vielen Russen bewohnten Ostukraine haushohe Siege ein. Von dort ließen am Montag noch viele Ergebnisse auf sich warten.

Seine feiernden Anhänger bat Juschtschenko, so lange auf dem Platz auszuharren, bis sein Sieg amtlich bestätigt sei. „Wir müssen den Sieg noch verteidigen, wir müssen zusammenbleiben.“ In den Wochen zuvor hatten Juschtschenkos Anhänger mit ihren massiven Protesten eine Wiederholung der Stichwahl vom 21. November erzwungen, bei der die Wahlkommission zunächst seinen Rivalen Janukowitsch zum Sieger erklärt hatte.

Das Lager Janukowitschs sprach von fast 5.000 Unregelmäßigkeiten während der Stichwahl am Sonntag und kündigte eine Klage vor dem Obersten Gerichtshof an, der schon die erste Auflage der Stichwahl annulliert hatte. Janukowitsch kritisierte, viele ältere und kranke Menschen hätten nicht von zu Hause aus wählen können. Im Fall einer Niederlage werde er eine starke Opposition im Parlament schaffen. Dann werde Juschtschenko „lernen, was Opposition bedeutet“. Ukrainische Beobachter betonten, der Vorsprung von Juschtschenkos – 2,7 Millionen Stimmen – sei zu groß, als dass Beschwerden noch etwas ändern könnten.

Internationale und unabhängige ukrainische Beobachter berichteten von weitgehend fairen Wahlen. „Es gab keine massive Beeinflussung durch die Medien, keinen Druck der Behörden und keine Manipulationen“, sagte Ihor Popow von der regierungsunabhängigen Organisation Komitee der ukrainischen Wähler. Zwar seien „bestimmte Verstöße“ festgestellt worden. Diese seien aber „eher technischer als systematischer Natur“ gewesen. Der Chef der Zentralen Wahlkommission Russlands, Alexander Weschnjakow, sagte, dass die festgestellten Verletzungen des Wahlrechts das Endergebnis nicht in Frage stellen können.

Auch die 12.500 internationalen Wahlbeobachter gingen von einem korrekten Ablauf aus. Der Leiter des OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR), der Österreicher Christian Strohal, stellte am Wahlabend eine Reihe von positiven Entwicklungen im Vergleich zur ersten Auflage der Stichwahl fest. Meldungen über Unregelmäßigkeiten seien nur „anekdotisch“ gewesen. Die Wahlbeteiligung lag mit 77 Prozent niedriger als vor fünf Wochen, was auch an den eingeschränkten Möglichkeiten zur mehrfachen Stimmabgabe gelegen haben dürfte.

Janukowitsch war zunächst offen von dem russischen Präsidenten Wladimir Putin unterstützt worden. Der Streit um den Wahlausgang belastete die Beziehungen zwischen Moskau und der EU sowie den USA. Der frühere sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow wurde von der russischen Nachrichtenagentur Interfax mit den Worten zitiert, Juschtschenko werde „klug sein und keinen Bruch zulassen“. Er werde weiter enge Kontakte mit Moskau pflegen. Der polnische Ex-Präsident Lech Walesa sieht die Ukraine nun näher an Europa gerückt.

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