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Ukraine: Prorussische Kräfte halten an Referendum über Abspaltung fest

Die Aufständischen in der Stadt Slaviansk wollen bislang von einer Verschiebung des Referendums nichts wissen.
Die Aufständischen in der Stadt Slaviansk wollen bislang von einer Verschiebung des Referendums nichts wissen. ©AP
Ungeachtet der Aufforderung vom russischen Präsidenten Wladimir Putin verschieben die prorussischen Kräfte in der Ostukraine ihr geplantes Referendum über eine Unabhängigkeit nicht.
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Die Abstimmung werde an diesem Sonntag (11. Mai) sein, sagte einer der Anführer am Donnerstagmittag. Diese Entscheidung habe der Volksrat der selbst ernannten “Volksrepublik Donezk” getroffen.

“Bevölkerung hat Chance auf Heldentat”

Ein weiteres Führungsmitglied der moskautreuen Kräfte, Andrej Purgin, sagte der russischen Staatsagentur Itar-Tass: “Das ist nicht unsere Entscheidung, das ist die Entscheidung des Volkes der Region Donbass.” Die Bevölkerung habe nun erstmals die Chance auf eine “Heldentat”, und niemand sei berechtigt, ihr diese zu nehmen.

Bei dem Referendum sollen mehr als drei Millionen Einwohner der russisch geprägten Gebiete Donezk und Lugansk entscheiden, ob sie eine Abspaltung von der prowestlichen Zentralregierung in Kiew unterstützen. Gestellt wird die Frage nach einer staatlichen Eigenständigkeit der Region.

Russland könnte Präsidentenwahl anerkennen

Ebenfalls am Donnerstag folgte nach Putins Aufruf am Vortag die nächste Überraschung: Russland will die am 25. Mai geplante Präsidentschaftswahl anerkennen, falls die Führung in Kiew zuvor ihren Militäreinsatz im Osten beendet. Die prowestliche Regierung müsse zudem einen Dialog mit ihren prorussischen Gegnern beginnen, forderte Putins Sprecher Dmitri Peskow am Donnerstag laut Interfax.

Die Wahl sei grundsätzlich eine “Bewegung in die richtige Richtung”, sagte Peskow. Darauf hatte auch der russische Präsident Putin hingewiesen. Peskow sagte zudem, die Separatisten in der Ostukraine hätten noch nicht auf Putins Aufforderung reagiert, ihr für Sonntag geplantes Referendum über eine Abspaltung von Kiew zu verschieben.

“Anti-Terror-Operation”soll fortgesetzt werden

Ungeachtet internationaler Aufrufe zum Stopp der Militäraktion in der Ostukraine will die Regierung in Kiew den “Anti-Terror-Einsatz” fortsetzen. Das kündigte Sicherheitsratschef Andrej Parubij am Donnerstag gegenüber Interfax an. Die umstrittene Operation solle auch weitergehen, wenn die prorussischen Kräfte auf ihr Referendum über eine Abspaltung von Kiew am Sonntag verzichten.

Regierung in Kiew gespalten

Zuvor hatten allerdings Teile der Führung in Kiew gesagt, sie wollten Gespräche mit politischen Kräften und Vertretern sowie der Gesellschaft in den russisch geprägten Regionen im Südosten des Landes führen. Übergangspräsident Alexander Turtschinow schloss allerdings am Mittwoch Verhandlungen mit den Kämpfern aus, die “Blut an den Händen” hätten.

Das Außenministerium betonte: “Ein Dialog mit Terroristen ist unmöglich und unvorstellbar.” Schuld an dem Konflikt, bei dem in den vergangenen Wochen Dutzende Menschen getötet und Hunderte verletzt wurden, habe “die russische Aggression gegen unser Land”, hieß es.

Putins Strategiewechsel

Putin hatte nach einem Treffen mit dem Vorsitzenden der OSZE, dem Schweizer Didier Burkhalter, am Mittwoch gefordert, die prorussischen Kräfte müssten ihr für diesen Sonntag (11. Mai) geplantes Referendum über eine Abspaltung von Kiew verschieben. Darüber wollten die Aktivisten am Donnerstag entscheiden. Die ukrainische Führung lässt seit Wochen einen “Anti-Terror-Einsatz” gegen die Separatisten führen.

Der einflussreiche russische Außenpolitiker Alexej Puschkow betonte: “Die ukrainische Krise ist längst nicht vorbei. Ein Teil des Landes hasst die Führung und erkennt sie nicht an, Faschisten verbrennen Menschen, die Milizen geben nicht auf”, schrieb Puschkow bei Twitter.

NATO hat Zweifel am Truppenabzug Russlands

Allerdings gibt es auch Zweifel ob Putins plötzlichem Strategiewechsel: Die NATO kann nach eigenen Angaben den laut Putin bereits abgeschlossenen Rückzug der russischen Truppen von der Grenze zur Ukraine nicht bestätigen. “Wir haben dafür keine Anzeichen”, hieß es am Mittwochabend dazu von Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow reagierte trotzig: Rasmussen müsse blind sein, sagte er laut der Nachrichtenagentur Itar-Tass. “Wir schlagen vor, dass die Blinden sich mit den Aussagen des Präsidenten vom 7. Mai vertraut machen”, wird Lawrow zitiert.

Lange geplant: Russischer Atomraketentest

Mitten in der Krise hat Russland drei mit Atomsprengköpfen bestückbare Interkontinentalraketen getestet. Eine Rakete vom Typ Topol-M (Nato-Code: SS-25 Sickle) sei vom Weltraumbahnhof Plessezk in Nordrussland abgeschossen worden, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.

  Zudem hätten zwei Atom-U-Boote je eine Rakete abgefeuert. Die Geschoße hätten ihre Ziele auf Truppenübungsplätzen getroffen. Es habe sich um eine geplante Übung unter Aufsicht von Präsident und Oberbefehlshaber Wladimir Putin gehandelt. Außerdem seien mehrere Marschflugkörper getestet worden.

Rupprechter gegen weitere Sanktionen

Österreichs Landwirtschaftsminister Rupprechter hat sich gegen weitreichende Sanktionen der EU gegen Russland ausgesprochen – man dürfe sich “nicht vor den US-Karren spannen lassen”. Aktuell müsse die Situation beruhigt werden.

Russland sei für die heimische Landwirtschaft der achtgrößte Markt, sagte Rupprechter wohl mit Blick auf 15 heimische Fleisch- und Molkereibetriebe, die vorübergehend vom Export nach Russland ausgeschlossen sind. Diese Sperre hänge aber eher nicht mit der Ukraine-Krise zusammen, sondern basiere auf veterinärbedingten Mängeln.

Berlin begrüßt “konstruktive Tonlage”

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier begrüßt die “konstruktive Tonlage” des russischen Präsidenten. “Wir sind jetzt an einem vielleicht entscheidenden Punkt”, sagte in Berlin. “Die Lage ist überaus kritisch”, so Steinmeier. “Aber noch besteht eine Chance, dass es uns mit diplomatischen Mitteln gelingt, eine weitere Eskalation der Gewalt und völligen Kontrollverlust im Osten der Ukraine zu verhindern.”

Der konservative Europa-Spitzenkandidat Jean-Claude Juncker sieht einen “Schritt in die richtige Richtung”. Es müsse aber weitere Schritte geben. Die Drohung mit einer Verschärfung der Sanktionen habe Wirkung gezeigt. (red/APA)

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