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Ukraine: Auf Regierungsbündnis geeinigt

Nach vier Monaten einer lähmenden politischen Krise in der Ukraine ist es zu einer Einigung auf eine Lager-übergreifende Koalition gekommen. Der Pakt soll den West-Kurs absichern.

Die pro-westliche Partei von Präsident Viktor Juschtschenko, „Unsere Ukraine“, und die Russland-freundliche Parlamentsmehrheit begannen am Donnerstag Verhandlungen über eine Regierungsbildung.

Im Tagesverlauf sollte über die Kandidatur des bisherigen Oppositionsführers und früheren Ministerpräsidenten Viktor Janukowitsch von der stärksten pro-russischen „Partei der Regionen“ für das Amt des Regierungschefs abgestimmt werden. Eine Mehrheit für den früheren Rivalen Juschtschenkos bei der „Orangenen Revolution“ gilt als sicher.

Juschtschenko stimmte am frühen Donnerstag der Koalition und der Nominierung Janukowitsch als Premier nach stundenlangen Krisengesprächen im Präsidentenpalast zu. Im Gegenzug hätten Janukowitsch und der sozialistische Parlamentspräsident Oleksandr Moros ihm eine Fortsetzung der pro-westlichen Reformpolitik zugesichert, sagte der Präsident in einer Fernsehansprache.

Er wisse um die Schwierigkeiten seiner Entscheidung. „Aber dies ist eine einzigartige Chance, die beiden Seiten des Dnjepr-Flusses zu vereinen“, sagte Juschtschenko mit Blick auf die politische Spaltung zwischen dem pro-russischen Osten und dem nach Europa orientierten Westen des Landes. „Wir haben eine gute Chance, dem politischen Krieg zu entkommen und uns wieder dem politischen Wettbewerb zuzuwenden.“

Die neuen Koalitionäre unterzeichneten ein Abkommen (Nationaler Einheitspakt). Demnach einigten sich die Akteure in der strittigen Frage einer möglichen ukrainischen NATO-Mitgliedschaft auf eine Volksabstimmung zu dieser Frage, wie der stellvertretende Vorsitzende von „Unsere Ukraine“, Roman Swarytsch, mitteilte. In dem Pakt sei zudem der Status des Ukrainischen als Staatssprache festgeschrieben worden. Demnach verzichtete Janukowitschs Partei auf die Forderung, Russisch neben Ukrainisch als zweite Amtssprache einzuführen.

Auch alle übrigen Konfliktthemen zwischen den beiden Polit-Lagern wie die staatliche Einheit und die Privatisierung von landwirtschaftlichen Nutzflächen habe man einvernehmlich geregelt, hieß es. So sollen die die Steuern gesenkt und strukturelle Wirtschaftsreformen in Angriff genommen werden. Gerichte und Zentralbank sollen frei von politischer Einflussnahme sein.

Im Laufe des Donnerstags wurden Verhandlungen über die Verteilung der Ministerämter aufgenommen, bis Ende der Woche will der neue Premier sein Kabinett vorstellen, das mehrheitlich mit Vertretern seiner Regionen-Partei besetzt sein dürfte. Die Zustimmung des Parlaments zu dem Bündnis galt als sicher. Es verfügt über eine deutliche Mehrheit.

Die Partei von Julia Timoschenko, der einstigen Weggefährtin Juschtschenkos während der „Orangenen Revolution“, durch die die pro-westlichen Kräfte an die Macht kamen, boykottiert die Einigung. Sie hat den Gang in die Opposition angekündigt. Ihre Abgeordneten fehlten am Donnerstag in der Obersten Rada, eine riesige Flagge im Gelb-Blau der Ukraine bedeckte deren Sitze.

Bei den Wahlen am 26. März hatte keines der beiden Lager die absolute Mehrheit erringen können. Gewonnen hatte die Abstimmung die Partei von Janukowitsch. Juschtschenko sperrte sich aber gegen den pro-russischen Politiker als Regierungschef. Der Präsident favorisierte eine Neuauflage eines Bündnisses der „Orangenen Revolution“, allerdings nicht mit Timoschenko als Ministerpräsidentin, die er aus dieser Funktion im Streit entlassen hatte. Schließlich wechselten die Sozialisten ins Russland-freundliche Lager, das nunmehr eine Parlamentsmehrheit hatte, und brachten Juschtschenko in Zugzwang.

Um die Ernennung Janukowitschs zum Regierungschef zu verhindern, hätte Juschtschenko das Parlament auflösen müssen, was eine Verlängerung der Regierungskrise bedeutet hätte. Für die Entscheidung räumte ihm die Verfassung eine Frist ein, die am Mittwoch abgelaufen war. Seine Kehrtwende gilt vielen Beobachtern als riskanter Befreiungsschlag.

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