Weil sie über 430.000 Euro abgezweigt haben soll, hat eine frühere Gemeinde-Mitarbeiterin aus dem Bezirk Neunkirchen am Donnerstag am Landesgericht Wiener Neustadt wegen Untreue und Geldwäscherei zwei Jahre Haft, davon fünf Monate unbedingt, erhalten. Die seit 2014 laufenden Machenschaften flogen 2021 auf. Der Sohn der 60-Jährigen, der laut Anklage sein Konto für Überweisungen zur Verfügung gestellt haben soll, wurde freigesprochen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
60-Jährige transferierte Geldbeträge jahrelang auf andere Konten
Als für Finanzen zuständige langjährige Beschäftigte einer Stadtgemeinde war die Erstangeklagte befugt, Online-Überweisungen zu autorisieren und im Telebanking durchzuführen. Die 60-Jährige soll Beträge nicht an die vorgesehenen Empfänger, sondern an andere Konten - lautend auf die Personalvertretung der Bediensteten der Stadtgemeinde - transferiert und von dort als Kassierin des Fonds abgebucht haben. Der exakte Gesamtschaden wurde mit 431.607,42 Euro angegeben.
Die 60-Jährige überwies die Beträge an ihren Sohn und in geringerem Umfang an ihren Mann und ihre Mutter. Der 33-Jährige soll der Anklage zufolge sein Konto zur Verfügung gestellt haben, obwohl er von den Machenschaften gewusst haben soll.
Gemeinde-Mitarbeiterin wegen Untreue und Geldwäscherei angeklagt
Die Frau, die inzwischen in Pension ist, musste sich in der Schöffenverhandlung wegen Untreue verantworten und ebenso wie ihr Sohn wegen Geldwäscherei. Die Erstangeklagte bekannte sich schuldig, der 33-Jährige bestritt die Vorwürfe. Mit der Einführung von Telebanking sei sie "in die Veruntreuung reingerutscht", sagte die Frau: "Ich wollte, dass es immer allen gut geht", deshalb habe sie ihren Sohn mit Geld unterstützt. "Er hat es ohne Bedenken und ohne nachzufragen genommen und hat gut gelebt." Woher das Geld stammte, "war bei uns nie ein Thema", erklärte die Angeklagte.
"Ist zum Schluss schon eine Sucht gewesen"
Zur Vorgehensweise erklärte die 60-Jährige, dass sie nach Abzeichnung durch einen anderen Gemeinde-Mitarbeiter die Kontonummern der Empfänger geändert habe. "Was haben Sie gemacht, damit das nicht schon viel früher auffällt?", wollte der Richter wissen. Sie habe mit anderen Überweisungen "Löcher gestopft", "es ist alles immer gut gegangen". "Es ist zum Schluss schon eine Sucht gewesen", meinte sie. Sieben Monate vor Pensionsantritt wurde sie erwischt, weil Schulen offene Beträge bei der Gemeinde urgierten. "Irgendwie war es schon eine Erleichterung, wie es aufgeflogen ist, aber auch ein Tiefschlag, als das ganze Kartenhaus zusammengebrochen ist", sagte die 60-Jährige.
Bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen sei die "massive Schadenswiedergutmachung" durch seine Mandantin, betonte der Rechtsanwalt. Die Angeklagte hat inzwischen zwei Eigentumswohnungen und ein Auto veräußert und den Erlös den Geschädigten überwiesen. Mehr als 211.000 Euro sind laut Verteidiger bereits an die Stadtgemeinde gegangen, rund 9.500 Euro an die Personalvertretung. Für den Restbetrag wird über eine Ratenzahlung verhandelt.
Sohn der Angeklagten bekannte sich nicht schuldig
Der 33-Jährige bekannte sich nicht schuldig. Ab dem Jahr 2017 erhielt er rund 900 Euro monatlich, teilweise vom Konto der Personalvertretung. "Ich habe nichts davon gewusst. Ich habe nie nachgefragt, wo das Geld herkommt", hielt der Beschuldigte fest.
Der Mann der Angeklagten wusste seinen Angaben zufolge ebenfalls nichts von den Malversationen. Seine Frau sei zuhause für Finanzen zuständig gewesen, "ich habe nie nachgefragt", berichtete der 58-Jährige als Zeuge. "Uns ist es nie schlecht gegangen", mit dem gemeinsamen Einkommen sei man immer ausgekommen. Er hätte "nie im Leben" angenommen, dass seine Frau so etwas mache, aber "ich stehe nach wie vor zu ihr". Die Mutter der Beschuldigten konnte nicht als Zeugin befragt werden, weil sie laut einer ärztlichen Bestätigung nicht vernehmungsfähig ist.
Staatsanwalt über leichte Abzweigung von Steuergeld "überrascht"
Der Staatsanwalt meinte im Schlussvortrag, es habe ihn überrascht, "wie leicht es eigentlich war, über einen so langen Zeitraum zu disponieren, wie man will". Steuergeld sei "auf brutale Art und Weise" für private Zwecke abgezweigt worden. Auch für den Zweitangeklagten forderte der Staatsanwalt einen Schuldspruch, weil er ihm dessen Verantwortung nicht abnahm. Der Verteidiger meinte, seine Mandantin sei "zur Gefangenen ihres selbst geschaffenen Systems geworden". Der Zweitangeklagte habe damals private Probleme gehabt und nicht gewusst, woher das überwiesene Geld stammte. Der Rechtsanwalt forderte einen Freispruch für den 33-Jährigen.
Haftstrafe über 60-Jährige verhängt
Die 60-Jährige entschuldigte sich in ihren Schlussworten. "Ich kann es leider nicht mehr rückgängig machen. Es tut mir immens leid."
Bei einer Strafdrohung von ein bis zehn Jahren wurden der bisher ordentliche Lebenswandel, das reumütige Geständnis und vor allem die teilweise Schadenswiedergutmachung mildernd gewertet. Erschwerend wirkten sich das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen, der lange Tatzeitraum und die Vielzahl an Angriffen aus. Zudem muss die Frau den Privatbeteiligten - der Stadtgemeinde und der Personalvertretung - die offenen Beträge zurückzahlen. "Wir haben bis zum Schluss nicht so richtig nachvollziehen können, warum der initiale Entschluss gefasst worden ist", meinte der Richter. Seinen Angaben zufolge liegen die Grundvoraussetzungen für eine Verbüßung der unbedingten Haft mit Fußfessel vor. Weil die Staatsanwaltschaft keine Erklärung abgab, ist das Urteil nicht rechtskräftig.
(APA/Red)